Astat

Astat [asˈtaːt] (von altgriechisch ἄστατος: „unbeständig, unstet“) ist ein radioaktives chemisches Element mit dem Elementsymbol At und der Ordnungszahl 85. Im Periodensystem steht es in der 7. Hauptgruppe bzw. der 17. IUPAC-Gruppe und zählt damit zu den Halogenen. Astat entsteht beim natürlichen Zerfall von Uran. Astat ist das seltenste natürlich vorkommende Element der Erde und muss bei Bedarf künstlich erzeugt werden.

Eigenschaften
[Xe] 4f14 5d10 6s2 6p5
85At
Allgemein
Name, Symbol, Ordnungszahl Astat, At, 85
Elementkategorie Halogene
Gruppe, Periode, Block 17, 6, p
Aussehen unbekannt
CAS-Nummer

7440-68-8

Massenanteil an der Erdhülle 3 · 10−21 ppm
Atomar
Atommasse 209,9871 u
Kovalenter Radius 150 pm
Van-der-Waals-Radius 202 pm
Elektronenkonfiguration [Xe] 4f14 5d10 6s2 6p5
1. Ionisierungsenergie 9.31751(8) eV899.00 kJ/mol
2. Ionisierungsenergie 17.880(20) eV1725 kJ/mol
3. Ionisierungsenergie 26.58(5) eV2565 kJ/mol
4. Ionisierungsenergie 39.65 eV3826 kJ/mol
5. Ionisierungsenergie 50.39 eV4862 kJ/mol
6. Ionisierungsenergie 72.0(2,0) eV6950 kJ/mol
7. Ionisierungsenergie 85.1(2,0) eV8210 kJ/mol
Physikalisch
Aggregatzustand fest
Schmelzpunkt 575 K (302 °C)
Siedepunkt 610 K (337 °C)
Verdampfungsenthalpie ca. 40 kJ/mol
Schmelzenthalpie ca. 6 kJ·mol−1
Wärmeleitfähigkeit 2 W·m−1·K−1
Chemisch
Oxidationszustände −1, +1, +3, +5, +7
Elektronegativität 2,2 (Pauling-Skala)
Isotope
Isotop NH t1/2 ZA ZE (MeV) ZP
209At {syn.} 5,41 h ε 3,486 209Po
α 5,757 205Bi
210At {syn.} 8,3 h ε 3,981 210Po
α 5,631 206Bi
211At {syn.} 7,214 h ε 0,786 211Po
α 5,982 207Bi
212At {syn.} 0,314 s ε 1,754 212Po
α 7,829 208Bi
β 0,043 212Rn
213At {syn.} 125 ns α 9.254 209Bi
214At {syn.} 558 ns α 8.987 210Bi
215At in Spuren 0,10 ms α 8,178 211Bi
218At in Spuren 1,5 s α (99,90 %) 6,874 214Bi
β (0,10 %) 2,883 218Rn
219At in Spuren 56 s α (97 %) 6,390 215Bi
β (3 %) 1,700 219Rn
220At {syn.} 3,71 min β 9,900 220Rn
Weitere Isotope siehe Liste der Isotope
Gefahren- und Sicherheitshinweise

Radioaktiv
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung
keine Einstufung verfügbar
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Geschichte

Als Dmitri Mendelejew sein Periodensystem entwickelte, waren nur die vier Halogenide Fluor, Chlor, Brom und Iod bekannt, der Bereich unterhalb des Iods blieb zunächst frei. Er sagte ein Eka-Iod voraus, das eine Atommasse von etwa 170 haben sollte. Durch die noch unklare Lage der Lanthanoide war diese Vorhersage jedoch weit entfernt von den tatsächlichen Gegebenheiten im Periodensystem, Atommassen von etwa 170 haben die Elemente Thulium und Ytterbium. Erst mit der Einführung der Ordnungszahl als Ordnungsprinzip durch Henry Moseley 1913 und der Zuordnung der bekannten Elemente bis Uran zu einer Ordnungszahl gemäß dem Moseleyschen Gesetz stand fest, dass es ein Eka-Iod mit der Ordnungszahl 85 geben muss.

In der Folgezeit wurde von einer Reihe von Forschern behauptet, Eka-Iod auf verschiedene Weise gefunden zu haben. So behauptete Fred Allison 1931, das Element durch eine selbst erfundene magneto-optische Methode in Seewasser und brasilianischem Monazit gefunden zu haben und nannte es nach Alabama Alabamium. Seine Ergebnisse konnten aber nicht bestätigt werden, seine Untersuchungsmethoden bezeichnete Irving Langmuir als Pathologische Wissenschaft. Auch der indische Chemiker Rajendralal De behauptete 1937, Eka-Iod aus Monazit, der aus Travancore stammte, extrahiert zu haben und nannte das Element Dakin, wahrscheinlich nach Dhaka. 1947 aktualisierte er seine Beschreibungen und nannte das Element jetzt Dekhin. Da die beschriebenen Eigenschaften nicht zum Astat passten, wurde die behauptete Entdeckung nicht weiter beachtet.

1939 beobachteten Horia Hulubei und Yvette Cauchois den radioaktiven Zerfall des Radonisotops 222Rn und maßen die charakteristische Röntgenstrahlung der entstehenden Elemente. Dabei entdeckten sie einige Spektrallinien, die sie Element 85 zuordneten. Nachdem sie auf Grund des 2. Weltkrieges die Arbeit unterbrechen mussten, verkündete Hulubei 1944 die vollständigen Ergebnisse und nannte das neue Element Dor nach dem rumänischen Wort für Sehnsucht (nach Frieden). Es ist unklar, ob sie tatsächlich Astat gefunden haben. Beim Zerfall von 222Rn entsteht über 218Po 218At, jedoch ist die messbare Strahlung sehr schwach. Auch Walter Minder behauptete 1940 und 1942, Eka-Iod gefunden zu haben. Er stützte seine Entdeckungen auf die Beobachtung radioaktiver Strahlung. 1940 berichtete Minder beim Zerfall von 222Rn von einer stärker werdenden Betastrahlung, die er auf den Zerfall von Radium A (218Po) zu 218At zurückführte und nannte das neue Element nach der Schweiz Helvetium. Zwei Jahre später behauptete Minder, beim Beobachten der Thorium-Zerfallsreihe einen Zerfall gemessen zu haben, der zu Element 85 führen sollte und nannte das Element nun Anglo-Helveticum. Beide Ergebnisse Minders konnten von Berta Karlik und Traude Bernert, die die Versuche Minders wiederholten, nicht bestätigt werden.

Die erste eindeutige Entdeckung von Element 85 gelang 1940 den Wissenschaftlern Dale R. Corson, Kenneth Ross MacKenzie und Emilio Gino Segrè an der University of California. Sie beschossen Bismut mit Alphateilchen, die in einem Zyklotron erzeugt wurden und erhielten dabei ein radioaktives, Alphastrahlung absonderndes Produkt. Anschließend untersuchten sie dieses Produkt chemisch und schlossen nacheinander die bekannten Elemente wie Thallium, Polonium oder Blei aus, bis nur noch die Möglichkeit des neu entdeckten Elementes 85 übrigblieb. 1947 schlugen sie nach altgriechisch ἀστατέω, astatos, „instabil“ den Namen Astat für das Element vor.

Natürlich vorkommendes Astat wurde 1943 von Berta Karlik und Traude Bernert gefunden, die in den Zerfallsreihen von Radium, Thorium und Actinium die drei Isotope 215At, 216At und 218At nachweisen konnten.

Endgültig bestätigt wurde die Entdeckung des Astats und sein Name 1949 von der IUPAC.

Gewinnung und Darstellung

Astat wird durch Beschuss von Bismut mit Alphateilchen im Energiebereich von 26 bis 29 MeV hergestellt. Man erhält dabei die relativ langlebigen Isotope 209At bis 211At, die dann im Stickstoffstrom bei 450 bis 600 °C sublimiert und an einer gekühlten Platinscheibe abgetrennt werden.

Eigenschaften

Bei diesem radioaktiven Element wurde mit Hilfe von Massenspektrometrie nachgewiesen, dass es sich chemisch wie die anderen Halogene, besonders wie Iod verhält (es sammelt sich wie dieses in der Schilddrüse an). Astat ist stärker metallisch als Iod. Forscher am Brookhaven National Laboratory haben Experimente zur Identifikation und Messung von elementaren chemischen Reaktionen durchgeführt, die Astat beinhalten.

Mit dem On-Line-Isotopen-Massenseparator (ISOLDE) am CERN wurde 2013 das Ionisationspotenzial von Astat mit 9,31751(8) Elektronenvolt bestimmt.

Die Existenz von At2-Molekülen konnte noch nicht nachgewiesen werden.

Isotope

Astat hat etwa 20 bekannte Isotope, die alle radioaktiv sind; das langlebigste ist 210At mit einer Halbwertszeit von 8,3 Stunden.

Verwendung

Organische Astatverbindungen dienen in der Nuklearmedizin zur Bestrahlung bösartiger Tumoren. Astat-Isotope eignen sich aufgrund der kurzen Halbwertszeiten innerlich eingenommen als radioaktive Präparate zum Markieren der Schilddrüse. Das Element wird in der Schilddrüse angereichert und in der Leber gespeichert.

Verbindungen

Die chemischen Eigenschaften von Astat konnten aufgrund der geringen Mengen bisher nur mit Tracerexperimenten festgestellt werden. Sie ähneln stark denjenigen des Iods, wobei es aber ein schwächeres Oxidationsmittel ist. Bisher konnten diverse Astatide, Interhalogenverbindungen und organische Verbindungen nachgewiesen werden. Auch die Anionen der entsprechenden Sauerstoffsäuren sind bekannt. Wegen des im Vergleich zu anderen Halogenen elektropositiveren Charakters wird es von Silber nur unvollständig ausgefällt. Dafür existiert das komplexstabilisierte Kation At(Py)2 (Py=Pyridin), wodurch Astat auch kathodisch abgeschieden werden kann. Nachgewiesen wurde auch das Hydrid, Astatwasserstoff HAt.

Sicherheitshinweise

Einstufungen nach der CLP-Verordnung liegen nicht vor, weil diese nur die chemische Gefährlichkeit umfassen und eine völlig untergeordnete Rolle gegenüber den auf der Radioaktivität beruhenden Gefahren spielen. Auch Letzteres gilt nur, wenn es sich um eine dafür relevante Stoffmenge handelt.

Literatur

  • A. F. Holleman, E. Wiberg, N. Wiberg: Lehrbuch der Anorganischen Chemie. 102. Auflage. Walter de Gruyter, Berlin 2007, ISBN 978-3-11-017770-1, S. 443.
  • Eric Scerri: A tale of seven elements. Oxford University Press, Oxford 2013, ISBN 978-0-19-539131-2.

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