Als Astrometrie-Satellit wird ein künstlicher Erdsatellit bezeichnet, der Aufgaben der Astrometrie – frei von störenden terrestrischen Einflüssen – im Weltraum durchführt.
Einführung: Sternwarten und Erdatmosphäre
Auf der Erde lassen sich zwar viel größere Sternwarten und Teleskope bauen als für den Betrieb in Raumsonden, doch sind ihre Qualitäten meist nicht voll nutzbar. Der Grund ist hauptsächlich die Erdatmosphäre, welche durch
- Aerosole und Extinktion das einfallende Licht merklich dämpft
- Lichtverschmutzung, die die Helligkeitsmessung beeinträchtigt
- Durch atmosphärische Dichteunterschiede und Störungen die einfallenden Lichtstrahlen unregelmäßig ablenkt und dadurch die Szintillation das Seeing bewirkt
- Dazu kommen Effekte der Sonnenstrahlung und Erwärmung.
Diese Nachteile erdgebundener Teleskope lassen sich teilweise durch adaptive Optiken mindern, allerdings unter hohem Aufwand. Während die Richtungsmessung im Weltall schon mit wesentlich kleineren Instrumenten jene auf großen Sternwarten übertrifft, sind für Messungen an schwachen Objekten die großen Aperturen erdgebundener Teleskope wichtiger. Das bedeutet, dass Weltraumteleskope für die Astrometrie einen höheren Gewinn bringen als für die Astrophysik.
Astrometrie, Bezugssystem und Satelliten
Während Jahrhunderten waren optische – im heutigen Sprachgebrauch astrometrische – Beobachtungen die einzigen für die Astronomie verfügbaren Messungen. Vor dem Weltraumzeitalter stand eine Vielzahl astronomischer Instrumente zur Verfügung, um ein erdfestes Bezugssystem zu definieren und die Erdrotation zu studieren.
Erdgebundene Astrometrie und Satellitengeodäsie
Während die Messungen vor 100 Jahren bestenfalls an 0,1" heranreichten, liefern die Messgeräte heute die geografische Breite einer Station auf bis zu 0,01" (10 mas oder umgerechnet ca. 30 cm) pro Nacht. Die Instrumente für diese genauen Messungen wurden in den letzten Jahrzehnten entwickelt und automatisiert: Der elektronische Meridiankreis, das Zenitteleskop samt Weiterentwicklung zum Fotografischen Zenitteleskop (PZT) und das automatisierte Astrolabium vom Typ Danjon. Sie wurden v. a. von jenen Observatorien verwendet, die zum IPMS (International Polar Motion Service) beitrugen.
Dennoch sind vergleichbare Genauigkeiten von der Satellitengeodäsie schon in ihrem 2. Jahrzehnt (um 1975) erzielt worden – freilich nicht optisch, sondern auf Basis von Mikrowellen und EDM. Seit etwa 1970 erreicht die Richtungsmessung zu Satelliten mit großen Satellitenkameras wie der BC-4 etwa 1", ließ sich seither aber kaum mehr über 0,5" steigern. Allerdings wurden diese Methoden der Satelliten- und Stellartriangulation durch GPS und andere Radiowellen-Methoden so mächtig ergänzt, dass nun die Erdfigur auf wenige Zentimeter genau erfasst werden kann.
Dies bedeutet, dass die optische Astrometrie mit ihrer Auflösung von ca. 30 cm der Satellitengeodäsie um einen Faktor von etwa Zehn "nachhinkt". Teilweise konnte diese Diskrepanz durch die terrestrische Radiointerferometrie und insbesondere VLBI gemildert werden, doch wären ebenso genaue erdgebundene Messungen auch im Bereich der Lichtwellen notwendig.
Terrestrische Koordinaten und Sternkataloge
Bei der Definition eines geeigneten Bezugssystems für genaue Koordinaten auf der Erde und im Weltraum sind Geodäsie, Astronomie und Mathematik wechselseitig aufeinander angewiesen. Für die Zeitsysteme und wegen der Geodynamik auch innerer Massenverschiebungen kommen noch die Physik und die Geophysik hinzu.
Den Zusammenhang zwischen terrestrischen Koordinaten und jenen der Astronomen liefert die Erdrotation. Die Erde dreht sich innerhalb des astronomischen Koordinatenrahmens, der durch ihren Äquator und die Ekliptik definiert ist. Dieses Bezugssystem der Sternkoordinaten Rektaszension und Deklination ist seinerseits wegen der Präzession und Nutation variabel. Deren Parameter und das ganze Modell, das mit der Erdbahn, dem Mond und auch den anderen Planeten zusammenhängt, konnte auf fast 0,01" verbessert werden.
Während sich die Erdmessung in Zentimeter-Genauigkeit der Erdfigur herantastete, blieb die optische Astronomie um den Faktor 10 zurück. Für Verbesserungen bei den Fundamentalgrößen sind genaueste Messungen möglichst vieler Sternörter und deren Eigenbewegungen erforderlich. Dieser Prozess stagnierte nahezu bis 1990. Der AGK-Sternkatalog aus der Jahrhundertwende wurde zwar zu seinerfünften Ausgabe verbessert (Fundamentalkatalog FK5), konnte jedoch die individuellen Sternfehler des FK4 von bis zu einigen 0,1" nicht gänzlich tilgen.
Der Hipparcos-Satellit
Der erste Astrometrie-Satellit Hipparcos brachte eine wesentliche Verbesserung. Sein Name schließt an jenen antiken Astronomen Hipparchos an, der aus dem Vergleich zweier Sternkataloge die Präzession entdeckte.
Der Satellit der ESA war von 1989 bis 1993 aktiv, um ein Netz von 120.000 Sternen auf 0,002" zu vermessen, 20–50 mal präziser als zuvor möglich. Er schaffte sein Ziel trotz eines großen Bahnfehlers fast vollständig: der Hipparcos-Katalog enthält 118.000 Sterne mit 0.003" bzw. 0.002"/Jahr. Ein zweites Instrument maß für den Tycho-1-Katalog weitere 1 Million Sternörter auf 0,02".
Diese beiden Kataloge waren zu ihrer Zeit die beste Realisation des Himmels-Referenzsystems International Celestial Reference Frame (ICRF). Die Daten von 300 Gigabyte gaben schon 1997 – im Jahr der Publikation – Stoff für etwa 500 Fachartikel. Im Jahr 2000 erschien der Tycho-2-Katalog mit ungefähr 2,5 Millionen Objekten als neue Reduktion der vorhandenen Daten.
Die Messmethode von Hipparcos war ein profil-artiges elektro-optisches Scannen der Sterne, die dann durch Ausgleichung zu Flächenstücken vernetzt werden. Für jede Mess-Epoche wurden so die Sternörter berechnet, und aus ihrem Zeitabstand die Eigenbewegungen abgeleitet. Die gleichzeitige Bestimmung der jährlichen Parallaxen ergaben 10-fach genauere Entfernungen der Sterne als bisher.
Die Gaia-Mission
Von 2013 bis 2025 durchmusterte die Gaia-Mission den Himmel mit wesentlich höherer Genauigkeit. Gaia befand sich ca. 1,5 Millionen km von der Erde entfernt beim Sonne-Erde-Lagrange-Punkt L2.
Die Instrumente lieferten nicht nur Magnituden, Sternörter, Parallaxen und Eigenbewegungen, sondern auch Radialgeschwindigkeiten, Oberflächentemperaturen und Spektraltyp. Veränderliche Sterne und Doppelsterne wurden erkannt, periodische und nichtperiodische Magnitudenänderungen wurden erfasst und klassifiziert. Gaia konnte mit der driiten Publikation schon ca. 1,6 Millionen Quasare erkennen und damit den Gaia Celestial Reference Frame (GCRF) erstellen. Außerdem wurden solare Objekte erfasst, und mit den letzten Veröffentlichungen sollen auch Exoplaneten veröffentlicht werden.
Folgende Kataloge wurden bereits veröffentlicht:
- 2016 Gaia DR1 mit 1,1 Milliarden Objekten
- 2018 Gaia DR2 mit 1,7 Milliarden Objekten
- 2020 Gaia EDR3 und 2022 Gaia DR3 mit 1,8 Milliarden Objekten
- Es sollen noch zwei weitere Kataloge Gaia DR4 und Gaia DR5 herauskommen, dabei sollen die Sternörter an Ende für ungefähr zwei Milliarden Objekte bis in den Mikrobogensekundenbereich bestimmt werden.
Siehe auch
- Astrogeodäsie
- International Terrestrial Reference Frame (ITRF)
- IERS Terrestrial Reference System
- Raumfahrt
- J2000.0
wikipedia, wiki, enzyklopädie, buch, bibliothek, artikel, lesen, kostenlos herunterladen, Informationen über Astrometriesatellit, Was ist Astrometriesatellit? Was bedeutet Astrometriesatellit?