Chadīdscha bint Chuwailid (arabisch خديجة بنت خويلد, DMG Ḫadīǧa bint Ḫuwaylid; geboren um 555; gestorben um 619) war die erste Ehefrau des islamischen Propheten Mohammed und die einzige, mit der er in Einehe lebte. Sie war die Mutter seiner Töchter Zainab und Fātima sowie dreier weiterer Kinder.
Leben
Chadīdscha war Tochter von Chuwailid aus dem quraischitischen Clan der Asad. Vor der Ehe mit Mohammed war sie schon zweimal verheiratet gewesen, das erste Mal mit Abū Hāla at-Tamīmī, einem Klienten des mekkanischen Clans der ʿAbd ad-Dār, und das zweite Mal mit ʿUtaiyik (oder ʿAtīk) ibn ʿĀ'idh aus dem mekkanischen Clan der Banū Machzūm. Die Reihenfolge dieser Eheschließungen sowie der ism-Name und die Abstammung von Abū Hāla sind umstritten. Die meisten Überlieferungen besagen, dass sie Abū Hāla zwei Söhne mit den eigentlich weiblichen Namen Hind und Hāla gebar, und ʿUtaiyik eine Tochter mit dem Namen Hind. Von Abū Hāla wurde sie möglicherweise verstoßen, aber ʿUtaiyik hinterließ sie als Witwe. ʿUtaiyiks Neffe as-Sā'ib ibn Abī s-Sā'ib wurde später Mohammeds Handelspartner.
Bevor Chadīdscha Mohammed heiratete, verfügte sie über eigenen Grundbesitz und konnte sich im Handel betätigen, was ihr wahrscheinlich durch das Fortbestehen matrilinearer Verwandtschaftsverhältnisse ermöglicht wurde. Im Jahre 605 oder früher beauftragte sie Mohammed, für sie eine Handelsreise nach Bosra in Syrien zu unternehmen. Nachdem er diese Aufgabe zu ihrer Zufriedenheit erfüllt hatte, bot sie ihm die Ehe an. Bei der Eheschließung soll Chadīdscha durch ihren Onkel ʿAmr ibn Asad vertreten worden sein, während Hamza ibn ʿAbd al-Muttalib Mohammed vertrat. Das Paar lebte dann eine Zeit in einer Wohnung (bait) in dem Haus (dār) ihres Neffen Hakīm ibn Hizām ibn Chuwailid in Mekka. Hakīm war es auch, der ihr den Sklaven Zaid ibn Hāritha besorgte.
Die islamische Überlieferung stellt Chadīdscha als eine treusorgende Ehefrau dar und attestiert ihr große Anteilnahme an den religiösen Erlebnissen ihres Mannes. Ibn Hischām berichtet, dass sie sich bei seinem ersten Offenbarungserlebnis am Berg Hirā' große Sorgen machte und Boten nach ihm ausschickte, da er ungewöhnlich lange wegblieb. Nach dem Erlebnis habe er sich unverzüglich zu ihr begeben, sich eng an ihre Seite gesetzt und ihr von der beängstigenden Begegnung mit dem Engel erzählt, woraufhin sie ihm Zuspruch leistete und ihn aufrichtete. Sofort danach sei sie zu ihrem Cousin Waraqa ibn Naufal, einem mit den „heiligen Schriften“ vertrauten Christen, geeilt, der ihr bestätigte, dass Mohammed der erwartete Prophet seines Volkes sei.
Um herauszufinden, ob Mohammed bei seinen Offenbarungen von einem Engel oder einem gefährlichen Dämon (šaiṭān) aufgesucht wird, soll Chadīdscha einen Test angewandt haben: Als ihm der Engel erschien, forderte sie ihn auf, sich nacheinander auf ihren linken Schenkel, auf ihren rechten Schenkel und in ihren Schoß zu setzen, wobei sie beim letzten Mal zusätzlich ihren Schleier zurückschlug. Bei jedem Mal fragte sie Mohammed, ob er den Engel noch sehe. Während er bei den ersten beiden Malen den Engel noch sah, verschwand dieser, als Mohammed in ihrem Schoß saß und sie den Schleier (ḫimār) zurückgeschlagen hatte. Da wusste sie, dass es sich um einen Engel und keinen Dämon handelte. Zugrunde liegt die Vorstellung, dass ein Engel in der Anwesenheit einer tugendhaften, verschleierten Frau verweilen darf, sich bei anzüglichem Verhalten und Entblößung ihres Körpers aber entfernt, während den Dämon dieses Verhalten nicht gestört hätte.
Nach der islamischen Überlieferung war Chadīdscha die erste Person, die an Mohammeds religiöse Botschaft glaubte. Bei all seinen Auseinandersetzungen mit Gegnern soll sie ihn loyal unterstützt haben. Ibn Hischām beschreibt dies wie folgt:
„Immer wenn Mohammed auf üble Ablehnung und Verleumdung stieß und darüber traurig war, ließ Gott es ihn bei ihr vergessen, sobald er zu ihr nach Hause kam, da sie ihn bekräftigte und stärkte, an ihn glaubte und ihn über das Verhalten der Leute beruhigte.“
Erst nach Chadīdschas Tod im Jahre 619 ging Mohammed weitere Ehen ein. Chadīdscha blieb aber die einzige Ehefrau Mohammeds, die ihm mehrere Kinder schenkte. Wie die anderen Ehefrauen gilt sie als eine der „Mütter der Gläubigen“.
Die Kinder Chadīdschas mit Mohammed
Chadīdscha hatte mit Mohammed mindestens fünf Kinder, nämlich vier Töchter – Fātima, Ruqaiya, Umm Kulthūm und Zainab – und einen Sohn namens al-Qāsim, der schon im Kindesalter starb. Von ihm hatte Mohammed auch seine Kunya Abū l-Qāsim. Neben al-Qāsim erwähnt die Überlieferung noch einen Sohn namens ʿAbdallāh, der jedoch möglicherweise mit al-Qāsim identisch war. Die in der Überlieferung ebenfalls erscheinenden Namen at-Tāhir und at-Taiyib waren Beinamen, die für den einen oder die beiden Söhne verwendet wurden.
Das Haus von Chadīdscha
Das Haus von Chadīdscha, das sich einige hundert Meter nordwestlich der Kaaba befand, wurde später von dem umaiyadischen Kalifen Muʿāwiya b. Abī Sufyān gekauft und in eine Moschee umgewandelt. Informationen zu Lage, Aufbau und Geschichte dieses Gebäudes finden sich in den mekkanischen Lokalchroniken von al-Azraqī (gest. 839), al-Fākihī (9. Jahrhundert) und al-Fāsī (gest. 1429). Auch verschiedene muslimische und europäische Reisende, die das Haus in der frühen Neuzeit besichtigten, liefern in ihren Reiseberichten Beschreibungen des Hauses, das aufgrund seiner großen Bedeutung in der frühislamischen Geschichte von den muslimischen Gläubigen besonders verehrt wurde.
Nach der Eroberung Mekkas durch die Wahhabiten wurde das Gebäude 1925 zerstört. 1951 erhielt Scheich ʿAbbās Yūsuf Qattān von König Abd al-Aziz ibn Saud die Erlaubnis, an der Stelle ein dreistöckiges Gebäude mit einer Koranschule zu errichten. Als 1989 der äußere Hof der Heiligen Moschee erweitert wurde, wurden die Gebäude in dem Viertel nordwestlich der Moschee abgerissen, darunter auch die Koranschule von Qattān. In der Zeit vom 29. November bis zum 26. Dezember 1989 hatte ein Grabungsteam unter Leitung von Ahmed Zaki Yamani Gelegenheit, das Gelände zu sichten. Die Grabung ist in einem Band der Al-Furqan Islamic Heritage Foundation dokumentiert. Der Band enthält nicht nur zahlreiche photographische Aufnahmen von der Grabungsstätte, sondern auch Grundrisszeichnungen und Rekonstruktionsmodelle des Hauses. Nach dem Ende der Grabungen wurde das Grundstück mit feinem Sand wieder zugeschüttet. Es ist heute vollständig durch Bodenplatten im Umfeld der Heiligen Moschee bedeckt.
Rezeption
Chadīdscha-Erzählungen in der osmanisch-türkischen Literatur
In der osmanisch-türkischen Literatur ist Chadīdschas Eheschließung Mohammeds Gegenstand zahlreicher Werke in Versform, Prosa und Prosimetrum. Diese Werke, die mit dem Ziel verfasst wurden, die Fürsprache des Propheten Mohammed zu erbitten oder Segen zu erlangen, sind teils eigenständige Texte, teils Abschnitte eines größeren Werkes oder Gedichts. Schon 1976 machte Abdülkadır Karahan auf eine „Geschichte von Chadīdschas Heirat mit Mohammed – Friede sei über ihm“ (Hikāyet Hatice tezvic Muhammad alaihis-salām) aufmerksam, die ihm in Handschriftenform vorlag. Dieses Werk hat die Gestalt eines Volksromans in Masnawī-Form und wird in einigen Handschriften auch unter dem Titel „Die vornehme Geburt der großen Chadīdscha“ (Mevlūd şerif Haticatül-Kubrā) geführt. Nach Auffassung Karahans wurde das Werk im 14. oder spätestens zu Anfang des 15. Jahrhunderts abgefasst.
Das Werk erzählt, wie zur Zeit, als Mohammed zu einem jungen Mann geworden ist, seine väterliche Tante ʿĀtika Mittel sucht, um für Mohammed eine Ehefrau zu finden. Da ihr Bruder Abū Tālib ibn ʿAbd al-Muttalib nicht über ausreichend Mittel verfügt, sucht sie die reiche Witwe Chadīdscha auf, mit der Bitte, Mohammed eine Anstellung in ihrem Karawanenhandel zu geben, damit dieser dort ausreichend Geld verdienen kann, um zu heiraten. Chadīdscha nimmt ʿĀtikas Vorschlag begeistert an, zumal sie in einem Traum gesehen hat, wie der Mond in ihren Busen fiel, was als Hinweis darauf gedeutet wird, dass sie den letzten der Propheten ehelichen würde. Als die Karawane nach Syrien aufbricht, gibt Chadīdscha ihrem Sklaven Maisara, der die Karawane anführt, die Anweisung, besonders auf Mohammeds Wohlbefinden und Komfort zu achten. Zum Zeitpunkt der Rückkehr, als die Karawane noch drei Tage von Mekka entfernt ist, schickt Maisara Mohammed mit einem Brief an Chadīdscha nach Mekka, in dem er die sichere Rückkehr der Karawane verkündet. Chadīdscha empfängt Mohammed mit großem Respekt und gibt eine schriftliche Antwort, und Mohammed kehrt noch am selben Abend zur Karawane zurück.
Nach der Rückkehr von der Reise, so wird weiter erzählt, wartet Mohammed monatelang vergeblich auf seine Entlohnung. Als ʿĀtika bei Chadīdscha vorspricht und nach den Gründen fragt, erzählt ihr Chadīdscha von ihrem Traum und offenbart ihr ihre Liebe zu Mohammed. Auf Bitten Chadīdschas begeben sich die großen Persönlichkeiten von Mekka zu ihrem Vater, damit er seine Tochter Mohammed zur Frau gibt. Da ihr Vater ablehnt, ergreift Chadīdscha andere Maßnahmen: Sie lädt ihren Vater und die großen Persönlichkeiten der Stadt zu einem prunkvollen Essen ein, und bittet Abū Tālib, ihren Vater betrunken zu machen. Der Plan gelingt, und der Vater verbringt in betrunkenem Zustand die Nacht im Hause seiner Tochter. Chadīdscha trägt daraufhin auf dem Mantel ihres Vaters safranfarbenen Wasserfleck auf, was, wie der Autor erklärt, zu jener Zeit ein Zeichen der Feierlichkeit war und die Menschen davon abhielt, das gegebene Wort zu widerrufen. Am nächsten Morgen, als Chadīdschas Vater den Fleck auf seinem Mantel sieht, erzählt sie ihm, dass er am Vorabend Mohammed versprochen habe, ihm seine Tochter zur Frau zu geben, und dass er seine Zusage jetzt nicht mehr zurückziehen könne. Daraufhin gibt der Vater seine Zustimmung zu der Eheschließung. Mohammeds Freund Abū Bakr macht auf Abū Tālibs Bitte Chadīdscha kostbare Geschenke. Um die bösen Zungen, die über die Mesalliance lästern, zum Schweigen zu bringen, überträgt Chadīdscha ihrem Ehemann ihren vollständigen Reichtum. Am Ende der Geschichte wird noch erzählt, wie Chadīdscha mit ihrem Mann sieben Kinder bekommt, nämlich die drei Söhne al-Qāsim, Mutahhar und Tāhir und die drei Töchter Ruqaiya, Umm Kulthūm, Zainab und Fātima.
Das Chadīdscha-Buch von ʿAbd al-Hamīd az-Zahrāwī
In den Jahren 1908 bis 1910 widmete der syrisch-arabische Nationalist ʿAbd al-Hamīd az-Zahrāwī (1855–1916) in der panislamischen Zeitschrift al-Manār von Raschīd Ridā Chadīdscha eine Artikelfolge, die 1910 in Buchform gedruckt wurde. Er sah in Chadīdscha ein Musterbeispiel dafür, dass sich die Lebensgeschichte einiger Heldinnen auch für Männer als Vorbild eigne. In der Vorrede verknüpft er die Geschichte der Chadīdscha mit den Rechten von Frauen in der zeitgenössischen arabischen Gesellschaft. Ansonsten handelt es sich über weite Strecken eher um eine idealisierende Geschichte der Araber und der Quraisch als um eine Lebensgeschichte der Chadīdscha.
Siehe auch
- Familie Mohammeds
Literatur
- Doris Decker: Frauen als Trägerinnen religiösen Wissens. Konzeptionen von Frauenbildern in frühislamischen Überlieferungen bis zum 9. Jahrhundert. Stuttgart 2013, ISBN 978-3-17-022335-6, S. 106–117.
- Maryam Saʿīd al-ʿAlī: Aḫbār Ḫadīǧa Bint-Ḫuwailid fi 'l-maṣādir al-islāmīya. Ergon, Baden-Baden 2020, ISBN 978-3-95650-773-1.
- Christoph Herzog: ʿAbdalḥamīd az-Zahrāwī und seine Schrift Ḫadīǧa, umm al-muʾminīn: Zur Genese des arabischen Nationalismus. In: Asiatische Studien, Bd. 54 (2000), Heft 3, S. 677–696.
- Ibn Hišām: Kitāb Sīrat Rasūl Allāh Aus d. Hs. zu Berlin, Leipzig, Gotha u. Leyden hrsg. von Ferdinand Wüstenfeld, 2 Bde., Göttingen 1858–60, S. 119–122, 153–156. Digitalisat
- Abdülkadır Karahan: “Un nouveau mathnawī de la littérature turque ottomane: Le Mevlid Haticetül-Kubrā, ou la description du mariage de Khadija avec le Prophète” in In: Akten des VII. Kongresses für Arabistik und Islamwissenschaft. Herausgegeben von Albert Dietrich. Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen: Philologisch-historische Klasse, Dritte Folge 98. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1976. S. 230–235.
- M. J. Kister: The Sons of Khadīja. In: Jerusalem Studies in Arabic and Islam. Bd. 16 (1993), S. 59–95.
- Selahettin Topbaş und Bahir Selçuk: “Klasik Türk Edebiyatındaki Hazret-i Hatice Kıssaları Üzerine”. in: Edebî Eleştiri Dergisi 9/2 (2025) 314–337. Digitalisat
- W. Montgomery Watt: Khadīdja. In: The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Bd. IV, S. 898b–899a.
- Ahmed Zaki Yamani: The house of Khadeejah Bint Khuwaylid raḍiya Allāh ʿanhā in Makkah Al-Mukarramah: a historical study of its location, building, and architecture. Al-Furqan Islamic Heritage Foundation, London 2014.
- Hossein Kamaly: Khadija (ca. 560–619). The first believer. In: ders.: A history of Islam in 21 women. Oneworld, London 2019, ISBN 978-1-78607-878-0, S. 5–17.
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