Eskimo-aleutische Sprachen

Die eskimo-aleutischen Sprachen oder in jüngerer Zeit eskaleutischen Sprachen bilden eine kleine Sprachfamilie, deren Idiome von etwa 100.000 Menschen in Nordostsibirien, Alaska, Kanada und Grönland gesprochen werden. Sie gliedern sich in das nur noch von wenigen Menschen gesprochene Aleutische (auf den Aleuten) sowie die Eskimosprachen mit den beiden Hauptzweigen der Yupiksprachen (in Sibirien und Alaska) und Inuitsprachen (in Alaska, Kanada und Grönland). Die Sprecher der eskimo-aleutischen Sprachen sind somit zum allergrößten Teil ethnische Aleuten, Yupiit und Inuit. Die meistgesprochene Einzelsprache der eskimo-aleutischen Sprachen ist das Grönländische, das etwa die Hälfte aller Sprecher der Sprachfamilie zählt und als offizielle Amtssprache Grönlands ist.

Genese und Klassifikation

Als Sprachfamilie stammen die eskimo-aleutischen Sprache alle von einer nicht überlieferten gemeinsamen Ursprache, dem Ur-Eskimo-Aleutischen ab, die vermutlich vor rund 4000 bis 3500 Jahren im Bereich der Beringstraße gesprochen wurde. Vor etwa 3000 Jahren spaltete sich die Sprache in zwei Gruppen auf, wobei aus der einen Gruppe die aleutische Sprache wurde, aus der anderen die Eskimosprachen. Die Urform der Eskimosprachen, das Ureskimoische, ist von Michael Fortescue, Steven Jacobson und Lawrence Kaplan erfolgreich rekonstruiert worden – im Gegensatz zum Ur-Eskimo-Aleutischen, das aufgrund der geringen Zahl an Kognaten zwischen den beiden Sprachzweigen, nur in Ansätzen vor allem von Knut Bergsland rekonstruiert wurde. Vom Ureskimoischen ging vermutlich vergleichsweise früh vor rund 2000 Jahren ein Sprachzweig ab, aus dem sich das 1997 ausgestorbene Sirenikski entwickelte, das sich phonologisch stärker von den übrigen Sprachen unterscheidet. Diese spalteten sich vor etwa 1500 Jahren in Yupik- und Inuitsprachen auf. Diese entwickelten sich anschließend in Einzelsprachen auf, wobei die Forschungstradition bei den Yupiksprachen von einzelnen Sprachen, bei den Inuitsprachen hingegen meist von einer Sprache mit einem Dialektkontinuum spricht. Tatsächlich sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Idiomen der Inuitsprachen häufig nicht geringer als zwischen den Yupiksprachen und viele Idiome sind untereinander nicht verständlich.

Anna Berge (2024) und Fortescue et al. (2010) teilen die eskimo-aleutischen Sprachen folgendermaßen ein, wobei verschiedene Forscher voneinander abweichen, ob Sirenikski ein eigener Sprachzweig oder ein Teil der Yupiksprachen ist, ob die Inuitsprachen in vier oder fünf Untergruppen eingeteilt werden sollten, ob der Kivalliq-Dialekt west- oder ostkanadisch ist oder ob Inuktun kanadisch oder grönländisch ist.

  • Eskimo-Aleutisch
    • Aleutisch (etwa 150 Sprecher)
      • Östliches Aleutisch: gesprochen auf Unalaska Island und der Alaska-Halbinsel (Alaska)
      • Zentrales Aleutisch (Atka-Aleutisch): gesprochen auf Atka Island und den östlich davon gelegenen Inseln (Alaska)
      • Westliches Aleutisch (Attu-Aleutisch): gesprochen auf Attu (Alaska)
        • Medny-Aleutisch (aleutisch-russische Mischsprache): gesprochen auf Medny (Russland), jetzt quasi ausgestorben
    • Eskimosprachen
      • Sirenikski: gesprochen in Sireniki (Russland) (1997 ausgestorben)
      • Yupiksprachen
        • Zentralsibirisches Yupik
          • Tschaplinski: gesprochen in Nowoje Tschaplino (Russland) (etwa 300 Sprecher)
          • St.-Lawrence-Yupik: gesprochen auf der Sankt-Lorenz-Insel (Alaska) (etwa 1000 Sprecher)
        • Naukanski: gesprochen in Lawrentija, Lorino und Uelen (Russland) (etwa 60 Sprecher)
        • Zentralalaskaisches Yupik (etwa 10.400 Sprecher)
          • Egegik-Dialekt: gesprochen in Egegik (Alaska)
          • Generelles zentralalaskaisches Yupik
            • Lake-Iliamna-Dialekt: gesprochen in Igiugig, Newhalen und Kokhanok (Alaska)
            • Nushagak-River-Dialekt: gesprochen in New Stuyahok und Koliganek (Alaska)
            • Bristol-Bay-Dialekt: gesprochen in Togiak, Manokotak und Dillingham (Alaska)
            • Kuskokwim-Dialekte
              • Niederer Kuskokwim-Dialekt: gesprochen in zahlreichen Ortschaften am Unterlauf des Kuskokwim River zwischen Kwigillingok und Kalskag (Alaska)
              • Oberer Kuskokwim-Dialekt: gesprochen am Oberlauf des Kuskokwim River zwischen Aniak und Sleetmute (Alaska)
            • Nelson-Island-Dialekt: gesprochen auf Nelson Island (Alaska)
            • Yukon-Dialekt: gesprochen am Yukon River zwischen Emmonak und Russian Mission (Alaska)
          • Hooper-Bay-Chevak-Dialekt: gesprochen in Hooper Bay und Chevak (Alaska)
          • Nunivak-Dialekt: gesprochen auf Nunivak (Alaska)
          • Norton-Sound-Dialekte
            • Kotlik-Dialekt: gesprochen in Kotlik (Alaska)
            • Unaliq-Dialekt: gesprochen in Golovin und Elim (Alaska)
        • Alutiiq-Dialekte (etwa 200 Sprecher)
          • Chugach-Dialekte
            • Prince-William-Sound-Dialekt: gesprochen in Tatitlek und Cordova (Alaska)
            • Kenai-Peninsula-Dialekt: gesprochen in Nanwalek und Port Graham (Alaska)
          • Koniag-Dialekte
            • Kodiak-Dialekt: gesprochen auf Kodiak Island (Alaska)
              • Afognak-Dialekt: gesprochen auf Afognak Island (Alaska)
            • Alaska-Peninsula-Dialekt: gesprochen auf der Alaska-Halbinsel zwischen Chignik und Pilot Point (Alaska)
              • Perryville-Dialekt: gesprochen in Perryville (Alaska)
      • Inuitsprachen
        • Iñupiatun (etwa 2100 Sprecher)
          • Seward-Peninsula-Iñupiatun
            • Beringstraßen-Dialekte
              • Imaqliq-Dialekt: gesprochen auf der Ratmanow-Insel (Russland)
              • Little-Diomede-Dialekt: gesprochen auf Little Diomede Island (Alaska)
              • King-Island-Dialekt: gesprochen auf King Island (Alaska)
              • Cape-Prince-of-Wales-Dialekt: gesprochen in Wales (Alaska)
            • Qawiaraq-Dialekte
              • Fish-River-Dialekt: gesprochen in White Mountain (Alaska)
              • Unalakleet-Dialekt: gesprochen in Unalakleet (Alaska)
          • Nordalaska-Iñupiatun
            • Malimiutun: gesprochen zwischen Noatak und Shaktoolik (Alaska)
              • Kobuk-Dialekt: gesprochen am Kobuk River zwischen Noorvik und Alatna (Alaska)
            • North-Slope-Dialekt: gesprochen zwischen Kivalina und Kaktovik (Alaska)
              • Point-Hope-Dialekt: gesprochen in Point Hope (Alaska)
              • Barrow-Dialekt: gesprochen in Utqiaġvik (Alaska)
              • Nunamiut-Dialekt: gesprochen in Anaktuvuk Pass (Alaska)
              • Uummarmiutun: gesprochen in Aklavik (Nordwest-Territorien)
        • Inuinnaqtun (etwa 3100 Sprecher)
          • Siglitun: gesprochen in Inuvik, Tuktoyaktuk, Paulatuk und Sachs Harbour (Nordwest-Territorien)
          • Copper-Dialket: gesprochen in Ulukhaktok, Kugluktuk und Cambridge Bay (Nunavut)
          • Nattlingmiutut: gesprochen in Gjoa Haven, Taloyoak und Kugaaruk (Nunavut)
            • Utkusiksalingmiut-Dialekt: gesprochen in Gjoa Haven (Nunavut)
          • Caribou-Dialekt (Kivalliq-Dialekt): gesprochen in Baker Lake (Nunavut)
            • Eskimo-Point-Dialekt: gesprochen in Eskimo Point (Nunavut)
        • Inuktitut (etwa 30.000 Sprecher)
          • Aiviliq-Dialekt: gesprochen zwischen Rankin Inlet und Naujaat sowie auf Southampton Island (Nunavut)
          • Itivimmiut-Dialekt: gesprochen zwischen Kuujjuarapik und Puvirnituq (Nunavik) sowie auf den Belcherinseln (Nunavut)
          • Tarramiut-Dialekt: gesprochen zwischen Salluit und Kuujjuaq (Nunavik)
          • Labrador-Inuttut: gesprochen in Rigolet und Nain (Labrador)
          • South-Baffin-Island-Inuktitut: gesprochen in Pangnirtung und Kinngait (Nunavut)
            • Frobisher-Bay-Dialekt: gesprochen in Iqaluit (Nunavut)
          • North-Baffin-Island-Inuktitut: gesprochen zwischen Clyde River und Grise Fiord (Nunavut)
            • Iglulik-Dialekt: gesprochen in Iglulik (Nunavut)
        • Kalaallisut (etwa 60.000 Sprecher, davon etwa ein Viertel in der Diaspora in Dänemark)
          • Inuktun: gesprochen in Qaanaaq (Grönland)
          • Kitaamiusut
            • Upernavimmiutut: gesprochen in Upernavik (Grönland)
            • Nordwestgrönländisch: gesprochen zwischen Uummannaq und Kangaatsiaq (Grönland)
            • Zentralwestgrönländisch: gesprochen zwischen Sisimiut und Nuuk (Grönland)
            • Südgrönländisch
              • Paamiut-Dialekt: gesprochen in Paamiut (Grönland)
              • Nanortalik-Qaqortoq-Dialekt: gesprochen zwischen Qaqortoq und Nanortalik (Grönland)
              • Kap-Farvel-Dialekt: gesprochen in Narsarmijit und Aappilattoq (Grönland)
          • Tunumiisut: gesprochen in Tasiilaq und Ittoqqortoormiit (Grönland)

Die Sprecherzahlen sind Annäherungen von Louis-Jacques Dorais (2010) und Michael Krauss (2007). Sie zeigen, dass zahlreiche der Sprachen akut gefährdet sind auszusterben. Lediglich drei Sprachen haben mindestens 10.000 Sprecher.

Theorien zu externen Beziehungen

Die Verwandtschaft zwischen Eskimosprachen und Aleutisch wurde erstmals 1818 von Rasmus Rask postuliert und anschließend akzeptiert. Im Laufe der Zeit haben zahlreiche Linguisten versucht, die eskimo-aleutischen Sprachen gemeinsam mit verschiedenen anderen Sprachfamilien in Makrofamilien einzugliedern. Diese Makrofamilien werden in Fachkreisen nicht anerkannt.

Der vermutlich erste solche Versuch war eine mögliche Verwandtschaft mit den ural-altaischen Sprachen, einer heutzutage abgelehnten Makrofamilie für die uralischen Sprachen und die selbst nicht als Sprachfamilie anerkannten altaischen Sprachen aus Turksprachen, tungusischen Sprachen und mongolischen Sprachen, die C. C. Uhlenbeck 1905 aufgrund von Ähnlichkeiten einiger Flexionsendungen vorschlug, allerdings nannte er keinerlei mögliche Kognaten. Später schlug er einige Kognaten vor. Uhlenbeck schrieb jedoch 1907 erstmals auch zu Ähnlichkeiten zwischen den eskimo-aleutischen Sprachen und den indogermanischen Sprachen mit lexikalischen Übereinstimmungen. Andere Sprachwissenschaftler mit Fokus auf dem Grönländischen wie Louis Hammerich und William Thalbitzer lehnten seine Verwandtschaftstheorien ab, allerdings wagte Uhlenbeck es selbst nicht, die Sprachfamilien in einer Makrofamilie zusammenzufassen, sondern ging eher von einem Sprachbund aus, wo die uralischen Sprachen als Bindeglied zwischen den indogermanischen Sprachen einerseits und den eskimo-aleutischen Sprachen andererseits fungierten. Als später die Makrofamilie Nostratisch vorgeschlagen wurde, meinte Uhlenbeck jedoch, dass wenn es diese gab, die eskimo-aleutischen Sprachen zu ihr gehörten.

Ein weiterer Hauptakteur bei der Suche nach externen Verwandtschaftsbeziehungen war Morris Swadesh. Er schlug unter anderem eine Verwandtschaft mit den tschuktscho-kamtschadalischen Sprachen vor, die direkt an das Sprachgebiet der eskimo-aleutischen Sprachen in Sibirien anschließen. Allerdings vertrat er auch Theorien, nach denen die eskimo-aleutischen Sprachen Teil einer Makrofamilie war, die unter anderem aus den uralischen Sprachen, den Na-Dené-Sprachen, dem Baskischen und den Wakash-Sprachen bestand. Diese Theorie wurde abgewiesen.Jan Henrik Holst versuchte 2005 die Verwandtschaftstheorie mit den Wakash-Sprachen wiederzubeleben, was aber nicht akzeptiert wurde.

Michael Fortescue diskutierte 1998 ebenfalls die externen Verwandtschaftsbeziehungen der Sprachfamilie und kam aufgrund von typologischen, morphologischen und lexikalischen Ähnlichkeiten zum Schluss, dass irgendeine Form von uralo-sibirischem Sprachbund zwischen den uralischen Sprachen, den jukagirischen Sprachen, den tschuktscho-kamtschadalischen Sprachen und den eskimo-aleutischen Sprachen bestanden haben muss, hielt sich aber zurück, sie alle explizit als Nachkommen einer gemeinsamen Ursprache zu postulieren.

Zahlreiche der behandelten Sprachfamilien, darunter auch die eskimo-aleutischen Sprachen sind in größere Makrofamilien wie Nostratisch und eurasiatisch zusammengefasst worden, die wie die deutlich kleinräumigeren Makrofamilien keine allgemeine Anerkennung gefunden haben.

Sprachliche Eigenschaften

Phonologie

Obwohl die eskimo-aleutischen Einzelsprachen sich alle in ihrem Lautinventar unterscheiden, gibt es einige Gemeinsamkeiten, die für (nahezu) alle Sprachen gelten. Das Vokalsystem ist sehr simpel und besteht meist nur aus drei bis vier Vokalphonemen (/a/, /i/ und /u/ sowie /ə/ in den Yupiksprachen), wobei die Vokallänge ebenfalls bedeutungsunterscheidend ist. Sämtliche Langvokale und Diphthonge sind jedoch sekundär und entstanden erst im Laufe der Sprachgeschichte durch den Entfall eines Konsonanten zwischen zwei Vokalen. Auffällig ist zudem der Mangel an stimmhaften Plosiven sowie das Fehlen der meisten stimmlosen Frikative. In den meisten Sprachen können nicht mehr als zwei Konsonanten und nicht mehr als zwei Vokale nebeneinander stehen. Die Phonotaktik ist in den meisten Sprachen auch sonst sehr begrenzt und erlaubt nur eine geringe Anzahl der existierenden Phoneme im An- und Auslaut. Dazu kommen Assimilationsphänomene, da historische Konsonantencluster im Laufe der Sprachgeschichte unmöglich wurden, wobei das Ausmaß an Assimilation von Westen nach Osten zunimmt, sodass es im Westgrönländischen heutzutage im Grunde keinerlei Konsonantencluster mehr gibt, die (zumindest lautlich, aber nicht schriftlich) alle vollständig durch Langkonsonanten ersetzt worden sind.

Morphologie

Die eskimo-aleutischen Sprachen sind polysynthetisch, was bedeutet, dass zahlreiche sowohl semantische als auch syntaktische Funktionen durch Derivationsmorpheme, die als Suffixe an die Wurzel angehängt werden, markiert werden, was zu extrem langen Wörtern führt, wobei oft ein einzelnes Verb einen ganzen Satz bilden kann. Die Inuitsprachen sind hierbei polysynthetischer als die Yupiksprachen, während das Aleutische große Teile seiner Polysynthese verloren hat. Stämme können durch Derivation beliebig oft ihre Wortklasse ändern, wobei es mit Nomina und Verben nur zwei primäre Wortklassen gibt. Adjektive existieren nicht und werden größtenteils durch (je nach Funktion teilweise nominalisierte) Zustandsverben ersetzt („groß sein“/„das groß Seiende“). An den derivierten Stamm werden Flexionsendungen angehängt, wonach Enklitika folgen können. Präfixe existieren mit einer Ausnahme nicht. Es gibt einige Fälle verbalisierter Flexionsformen, wo bereits flektierte Nominalformen wieder Verbalstämme bilden.

Die Eskimo-aleutischen Sprachen sind ursprünglich Ergativsprachen, wobei dies für das Aleutische heute nur noch begrenzt gilt. Es gibt zahlreiche Kasus, nämlich zwei syntaktische Kasus, Absolutiv und Relativ (der die Funktionen von Ergativ und Genitiv vereint), sowie fünf bis sechs oblique Kasus, die den Funktionen deutscher Präpositionen wie „in“ (Lokativ), „zu“ (Allativ) und „von“ (Ablativ) entsprechen. Es wird zwischen drei Numeri unterschieden: Singular, Dual und Plural, wobei beispielsweise Grönländisch, Sirenikski und Ostaleutisch den Dual verloren hat. Nomen können possessive Verhältnisse markieren, wobei zwischen vier Personen unterschieden wird, wobei die 4. Person reflexive Bezüge bezeichnet (vgl. „Er küsst seine (eigene) Frau.“ und „Er küsst seine (= eines anderen) Frau.“). Es existieren weder Genus noch Sexus als grammatische Kategorien, was bedeutet, dass weder zwischen „der“ und „die“, noch zwischen „er“ und „sie“ unterschieden wird. Sehr auffällig ist, dass in der Nominal- und in der Verbalflexion häufig dieselben Endungen benutzt werden, bspw. markiert -ga im Grönländischen sowohl die 1. Person possessiv bei Nomen („mein“) als auch das Subjekt im transitiven Indikativ mit Objekt in der 3. Person Singular („ich [...] es“), wobei die 3. Person generell in zahlreichen Verbalendungen nicht explizit markiert wird. Verben unterscheiden zwischen transitiver und intransitiver Flexion, wobei transitive Verben meist sowohl Subjekt als auch Objekt in der Flexionsendung markieren. Neben der Person wird auch der Modus in der Endung markiert, wobei je nach Einzelsprache zwischen verschiedenen Modi unterschieden wird. Auffällig ist hier die Aufteilung in übergeordnete (bspw. Indikativ, Interrogativ und Imperativ) und untergeordnete Modi, die in ihrer Funktion in etwa Haupt- und Nebensätzen verschiedener Funktionen (kausal, konditional, modal) im Deutschen entsprechen. Die kleine Restklasse an Demonstrativpronomen hat eigene Flexionsendungen. Einige Wörter wie „jeder/alle“ und „als einziger“ zeigen eher akkusativisches Verhalten als ergativisches.

Syntax

Sätze sind entweder aktivisch konstruiert oder medial, die meisten Sprachen haben zudem durch Derivation antipassivische Konstruktionen und manche Sprachen können auch ein Passiv bilden. Ein Satz besteht üblicherweise aus einem übergeordnetem und einer beliebigen Anzahl untergeordneter Verben. Die Grundwortstellung ist in den Eskimosprachen SOV (Subjekt-Objekt-Verb), während im Aleutischen OVS (Objekt-Verb-Subjekt) vorherrscht. In Nominalphrasen steht der Kern vor seinen Attribut („das Haus, das grüne“), während der Possessor in possessiven Phrasen vor dem Kern steht („des Mannes sein Haus“).

Tempus ist keine Flexionskategorie des Verbs, allerdings existieren meist Derivationsmorpheme, die in ihrer Funktion deutschen Tempora wie Präteritum, Perfekt und Futur entsprechen. Diese sind jedoch nicht immer obligatorisch. Im Grönländischen müssen beispielsweise futurische Handlungen markiert werden, während atelische Verben per Default als Präsens verstanden werden, telische Verben hingegen als Präteritum. Adverbiale Bestimmungen markieren zudem generell die zeitliche Einordnung eines unmarkierten Verbs (bspw. „Ich ankomme gestern.“ oder „Ich ankomme, als es schneite“) Die Sprachen zeigen somit in hohem Grad Überreste eines Aspektsystems, das sich je nach Sprache verschieden weiterentwickelt hat.

Lexikon

Der Wortschatz der eskimo-aleutischen Sprachen ist aufgrund des polysynthetischen Sprachbaus auf auffällig wenigen Wurzeln aufgebaut, wobei ein großer Teil des Grundwortschatzes mehr oder weniger durchsichtig etymologisch von diesen abgeleitet ist. Die Sprachen zeichnen sich durch ein gut erforschtes deiktisches System aus, das Positionsangaben durch verschiedene Wurzeln angibt, die sich auf die Geografie beziehen, wie „Richtung Meer“ oder „Richtung Land“, „an der Küste nach rechts“ oder „an der Küste nach links“, „mit dem Nordwind“, „mit dem Südwind“ etc., wobei häufig noch unterschieden wird zwischen „nah“, „fern“, „sichtbar“, „nicht sichtbar“ etc. Da keine eigentlichen Adpositionen existieren, werden diese durch possessive Konstruktionen auf Basis häufig sehr abstrakter positionsbestimmender Nomina gebildet („an dessen Unterseite“ = „unter“).

Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass die eskimo-aleutischen Sprachen zahlreiche Wörter für Schnee hätten. Das Gerücht wurde 1940 von Benjamin Lee Whorf in die Welt gesetzt. Diese Angaben wurden von Anderen – auch in reputablen Publikationen wie den Wissenschaftsseiten der New York Times – offenbar ungeprüft übernommen und um frei geschätzte Zahlenangaben ergänzt, was in gleicher Weise weiter zitiert wurde, bis dass von „vier Dutzend“, „hundert“, oder gar „zweihundert“ verschiedenen angeblich vorhandenen Wortstämmen zu lesen war. Tatsächlich gibt es beispielsweise im Westgrönländischen nur zwei Wörter für Schnee: qanik »Schnee in der Luft, Schneeflocke« und aput »Schnee auf dem Boden«.

Literatur

  • Anna Berge: The Eskaleut Language Family. In: Edward Vajda (Hrsg.): The Languages and Linguistics of Northern Asia. Band 1. De Gruyter Mouton, 2024, ISBN 978-3-11-055621-6, S. 669–738, doi:10.1515/9783110556216.
  • Louis-Jacques Dorais: Language of the Inuit. Syntax, Semantics, and Society in the Arctic. McGill-Queen's University Press, Montreal, Kingston, London, Ithaca 2010, ISBN 978-0-7735-3646-3.
  • Michael Fortescue: The Eskimo-Aleut Language Family. In: Alexandra Y. Aikhenvald, R. M. W. Dixon (Hrsg.): The Cambridge Handbook of Linguistic Typology. Band 3. Cambridge University Press, Cambridge 2017, S. 683–706, doi:10.1017/9781316135716.022.
  • Jan Henrik Holst: Einführung in die eskimo-aleutischen Sprachen. Helmut Buske Verlag, Hamburg 2005, ISBN 978-3-87548-386-4.
  • Michael E. Krauss: Eskimo-Aleut. In: Thomas A. Sebeok (Hrsg.): Native Languages of the Americas. Band 1. Plenum Press, New York, London 1976, ISBN 978-1-4757-1559-0, S. 175–281.
  • Anthony C. Woodbury: Eskimo and Aleut Languages. In: David Damas (Hrsg.): Handbook of North American Indians. Band 5. Smithsonian Institution, Washington D.C., S. 49–63 (Online).

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