Johann Smidt

Johann Smidt (* 5. November 1773 in Bremen; † 7. Mai 1857 in Bremen) war ein deutscher Politiker und Theologe, der vor allem in der Hansestadt Bremen wirkte. Er war Gründer von Bremerhaven und gilt als einer der bedeutendsten Staatsmänner von Bremen. Als Delegierter beim Wiener Kongress setzte er sich erfolgreich für den Beibehalt der Selbstständigkeit der Hansestädte ein. In jüngerer Zeit jedoch werden seine antisemitische Haltung und sein entsprechendes politisches Handeln zunehmend kritisch gesehen.

Biografie

Familie, Jugend und Ausbildung

Smidt war der Sohn des gleichnamigen, auch Johannes Smith (1712–1796) genannten Pastors der St. Stephanikirche in Bremen. Er absolvierte das Gymnasium Illustre. Nach dem Abitur studierte er ab 1792 in Jena Theologie. Er war dort Gründungsmitglied der Gesellschaft der freien Männer. 1794 bestand er sein „Kandidatenexamen“ in Bremen und setzte sein Studium dann in Jena fort, wo er unter anderem durch Johann Gottlieb Fichte beeinflusst wurde, dessen nationalistisch-antisemitische Ideen auf Smidt abfärbten. Während seines Studiums lernte er auch den Zürcher Theologen Johann Caspar Lavater kennen, dessen missionarisch-christliche Haltung gegenüber Juden ihn zusätzlich prägte. Diese frühen Einflüsse gelten als mitursächlich für Smidts lebenslangen, radikal geprägten Antisemitismus.

Smidt heiratete 1798 Johanne Wilhelmine Rhode (1777–1848), Tochter von Johann Conrad Rhode, dem Eigentümer der Sonnen-Apotheke in der Sögestraße Nr. 37 (heute 18). Beide wohnten hier von 1804 bis 1821. Sie hatten zehn Kinder, von denen sie sechs überlebten. Ihr Sohn Heinrich Smidt (1806–1878) war Senator in Bremen. 1797 wurde er in Zürich zum Predigtamt ordiniert.

Früher Aufstieg

Smidt wurde danach Professor für Philosophie und Geschichte am Gymnasium illustre in Bremen. Er war darauf Syndikus der Elterleute in Bremen. 1799 gründete er das Hanseatische Magazin. Er wurde Mitglied im Bremer Bürgerconvent als Vorläufer der Bremer Bürgerschaft. Mit nur 27 Jahren wurde er 1800 überraschend zum Ratsherrn von Bremen gewählt. Ab 1806 war er für Bremen zunehmend außenpolitisch tätig. 1811 – Bremen war Teil des französischen Kaiserreichs – vertrat er in Paris bremische Interessen und huldigte zugleich Napoleon. Er nahm Einfluss auf die Entwicklung der Hansestädte in staatlicher und kommerzieller Hinsicht. 1811 gab er kurzzeitig sein Senatorenamt auf, um als Notar zu wirken.

Smidt als Senator

Nach der Völkerschlacht bei Leipzig 1813 verhandelte er mit dem russischen Generalmajor Freiherr Friedrich Karl von Tettenborn – der gerade Bremen besetzte – über die Neuerrichtung eines Bremer Staates. Tettenborn setzte 1813 in Bremen einen provisorischen Senat mit sieben Senatoren ein. Smidt war nun Senator für die auswärtigen Angelegenheiten Bremens. Er reiste ab Ende November 1813 über ein halbes Jahr, zumeist dem Großen Hauptquartier der Alliierten folgend, über Frankfurt am Main nach Freiburg im Breisgau, Basel, Troyes und Paris, um über den künftigen Status Bremens zu verhandeln. Von September 1814 bis Juni 1815 vertrat Smidt als Delegierter beim Wiener Kongress die bremischen Interessen und erreichte den Erhalt der Selbständigkeit der Hansestädte sowie ihre Aufnahme in den Deutschen Bund. Zudem nutzte er diese bundesweite Ebene, um jüdische Emanzipationsbewegungen zu behindern. Denn während der französischen Besatzung durch Napoleon waren erstmals bürgerliche Rechte auch für die bremischen Juden in Kraft getreten. Auf Smidts Betreiben hin wurde in der letzten Beratungssitzung zur Deutschen Bundesakte bei der Regelung über die Rechte der Juden der Text „Es werden den Bekennern des jüdischen Glaubens die denselben in den einzelnen Bundesstaaten bereits eingeräumten Rechte erhalten“ geringfügig, aber folgenschwer geändert in: „Es werden den Bekennern des jüdischen Glaubens die denselben von den einzelnen Bundesstaaten bereits eingeräumten Rechte erhalten.“ Durch diese minimale, aber entscheidende Wortänderung verhinderte er die gesamtstaatliche Anerkennung der durch Frankreich gewährten jüdischen Gleichstellung. Dies ermöglichte Bremen und anderen Staaten, die Emanzipation der Juden rückgängig zu machen.

Ab November 1815 war Smidt bremischer Gesandter der Bundesversammlung in Frankfurt am Main. Hier bekämpfte er die Metternichsche Politik. Er war bis 1820 bei den Verhandlungen tätig, welche die freie Weserschifffahrt begründeten und die damit verbundene Aufhebung des vom Großherzogtum Oldenburg erhobenen Elsflether Weserzolls.

Smidt als Bürgermeister

1821 wurde Smidt einer von vier Bremer Bürgermeistern und er blieb in diesem Amt bis zu seinem Tod. Im Senat war er weiterhin für die auswärtigen Angelegenheiten Bremens zuständig und verblieb auch bis 1854 der Vertreter von Bremen in der Frankfurter Bundesversammlung. 1848 trat das Vorparlament unter seiner Leitung als Alterspräsident zusammen.

Smidt gab dem Handel Bremens wichtige Impulse. Da die Stromverhältnisse der Unterweser es verhinderten, dass die Seeschiffe Bremen erreichen konnten, plante Oldenburg den Ausbau des Hafens von Brake. Smidt kaufte vom Königreich Hannover ein Stück Land an der Geestemündung und Bremerhaven wurde im Jahr 1827 gegründet. Der „Alte Hafen“ wurde 1830 als künstliches Hafenbecken fertiggestellt.

Er konnte durch den Abschluss von transnationalen Handelsverträgen die Ausbreitung der konsularischen Vertretung erreichen. Der sehr konservative Smidt konnte 1849 nicht verhindern, dass sich Bremen eine demokratischere und liberale Verfassung gegeben hatte. Nach der Restauration des Deutschen Bundes erreichte Smidt mit dessen Hilfe, dass die demokratischen Errungenschaften auch in Bremen wieder abgeschafft wurden und es bei der Vormachtstellung des auf Lebenszeit gewählten Senats blieb. 1854 wirkte er mit bei der neuen Verfassung mit ihrem Achtklassenwahlrecht und der starken Stellung der bremischen Kaufmannschaft (siehe auch: Geschichte der Stadt Bremen). In den Jahren 1850, 1853, 1855 und 1857 war er Präsident des Senats.

Zudem sorgte er für die Zurücksetzung emanzipatorischer, rechtlicher Fortschritte des Code Napoleon und betrieb die „völlige Austreibung der Kinder Israels“ als eine „angelegentliche Staatssorge“. In seinem Antijudaismus betrachtete er die Juden als „Fremdkörper in einem christlichen Staatswesen“. Bis 1826 hatte er bis auf zwei im Rahmen einer Gebietsübernahme vom Königreich Hannover übernommene Schutzjuden, alle Juden, die unter der französischen Besatzung ein Aufenthaltsrecht erhalten hatten, mit einer dreimonatigen Abschiebefrist aus Bremen vertrieben.

„Am 31. Mai 1820 ließ der Senat alle jüdischen Familien vor sich kommen und erklärte ihnen, sie hätten das Stadtgebiet bis zum 31. August zu räumen; getreu dem Willen der damals führenden bremischen Persönlichkeit, Bgm. Smidt,(...) wurde die ‚Austreibung‘ strengstens durchgeführt und konnte 1826 als beendet angesehen werden.

Anläßlich der Übernahme mehrerer, vormals hannoverscher Bezirke war der 26. Juli 1803 als ,Huldigungstag‘ angesetzt worden, an dem auch ‚sämtliche Bremische Judenschaft‘ den neuen ‚Hohen und Gnädigen Obern‘ ihre Huldigung darzubringen hatte. Ein bis heute erhaltenes ,Dankesgedicht' unbekannter Autorenschaft an die ,Männer des Staates' für den ,Schutz' der darin als ,friedlich, redlich und leidend' bezeichneten ,Judengenossen' mussten vermutlich die dafür festlich gekleideten jungen Jüdinnen Henriette Alexander und die Töchter von Levi Abraham (Beigel, Zippel, Kölchen und Ester) öffentlich vortragen. Die ,dankbaren' und , glücklichen' Familien durften doch der ihnen entgegen gebrachten ‚Gerechtigkeit‘ zum trotz nur in Hastede und am Barkhof wohnen. Denn selbst ein vorübergehender Besuch der Stadt Bremen war nur mit einer speziellen Erlaubnis möglich, die ausschließlich einen begrenzten und zeitlich fest-gelegten Aufenthalt in der Stadt Bremen ermöglichte.

Die 1803 von Hannover übernommenen Schutzjuden erhielten am 13. Juni 1826 förmliche Schutzbriefe vom Senat ausgestellt, während 1827 gegen ‚polnische und andere fremde Betteljuden‘ eine neue Senats Verfügung erlassen wurde.“

Der lutherischen Domgemeinde, die mit der Domfreiheit 1803 an den damals noch calvinistischen bremischen Staat gefallen war, bestritt Smidt bis 1830 den Status einer Gemeinde und ihr Vermögen an bebauten und unbebauten Grundstücken.

Smidt starb 1857, wurde auf dem Herdentorsfriedhof beerdigt und 1891 auf den Riensberger Friedhof umgebettet.

Smidt war einer der bedeutendsten Staatsmänner von Bremen. Zahlreiche Straßen, Brücken, Denkmäler und Kirchen tragen seinen Namen. Lange galt Smidt vor allem als Gründer Bremerhavens und als erfolgreicher Staatsmann. Seit dem späten 20. Jahrhundert erfolgt jedoch eine kritischere Bewertung.

Historikerinnen und Historiker heben seine antisemitische Politik und seine Rolle bei der Rücknahme der jüdischer Emanzipation und demokratischer Errungenschaften hervor. Smidt gilt heute als Beispiel für die enge Verbindung zwischen wirtschaftspolitischem Fortschrittsdenken und religiös-nationalistisch motivierter Ausgrenzungspolitik. Auch seine reaktionäre Haltung während und auf die Revolutionen 1848/1849 wird negativ beurteilt.

Obwohl Johann Smidt selbst nicht unmittelbar an kolonialen Unternehmungen beteiligt war, gilt seine Hafen- und Handelspolitik als wesentliche Voraussetzung für die spätere Rolle Bremens in kolonialen Netzwerken. Mit der Gründung Bremerhaven 1827 und dem Ausbau des Überseehandels legte er die infrastrukturellen Grundlagen, die den globalen Handel der Hansestadt im 19. Jahrhundert entscheidend stärkten. Bremen entwickelte sich in den folgenden Jahrzehnten zu einem wichtigen Standort von Reedereien und Missionsgesellschaften, die insbesondere in Westafrika tätig wurden. Forschungsprojekte an der Universität Bremen zeigen, dass sich hier Handelsinteressen, missionarische Bestrebungen und koloniale Expansion eng verbanden.

Historikerinnen und Historiker verweisen darauf, dass Smidts Politik – etwa die Sicherung der Weserschifffahrt, der Ausbau konsularischer Vertretungen und die Privilegierung der Kaufmannselite – eine ökonomische Infrastruktur schuf, die später auch für koloniale Unternehmungen genutzt wurde.

Ehrungen

  • 1819 erhielt er als Dank für seinen Einsatz zum Erhalt der engen Zusammenarbeit und der Selbständigkeit der Hansestädte vom Senat der Hansestadt Lübeck einen großen silbernen Deckelpokal, den Smidts Nachkommen im frühen 20. Jahrhundert der Bürgermeister-Smidt-Gedächtniskirche in Bremerhaven stifteten und der heute im Historischen Museum Bremerhaven ausgestellt ist.
  • 1829 wurde ihm Ehrendoktorwürde der Rechte der Universität Jena verliehen.
  • Er erhielt 1841 die dritte Gedenkmünze Bene Merenti, die höchste Auszeichnung der Hansestadt Lübeck.
  • In Bremen wurde er 1843 mit der ersten Bremischen Ehrenmedaille in Gold ausgezeichnet.
  • In „Anerkennung der Hilfe nach dem großen Hamburger Brand“ wurde er 1843 von Hamburg zum achten Ehrenbürger ernannt.
  • Eine Straße in Hamburg-Hamm wurde nach ihm benannt.
  • Im ersten Stock des Bremer Rathauses befindet sich das 1848 vom Bildhauer Carl Steinhäuser gefertigte und 1860 eingeweihte Smidt-Denkmal.
  • 1864 wurde in Bremerhaven die frühere Leher Heerstraße in Bürgermeister-Smidt-Straße umbenannt.
  • Ab 1870 stand eine Sandsteinstatue von ihm an der Fassade Bürgermeister-Smidt-Straße Nr. 79 in Bremerhaven.
  • Auf dem Theodor-Heuss-Platz in Bremerhaven befindet sich seit 1888 das bronzene Bürgermeister-Smidt-Denkmal vom Leipziger Bildhauer Werner Stein. Es ist heute ein Wahrzeichen der Stadt.
  • Ab 1890 (bis?) gab es in Bremen-Schwachhausen eine Bürgermeister-Smidt-Straße.
  • Die von ihm 1855 eingeweihte Kirche der Vereinigten Protestantischen Gemeinde in Bremerhaven, allgemein als Große Kirche bekannt, erhielt 1927 den Namen Bürgermeister-Smidt-Gedächtniskirche.
  • 1945 wurde in Bremen die Bürgermeister-Smidt-Straße (früher Georg- bzw. Kaiserstraße) nach ihm benannt.
  • In Bremen wurde 1952 die Bürgermeister-Smidt-Brücke nach ihm benannt.
  • Nach ihm wurde 1989 der Gaffelschoner Johann Smidt benannt.

Literatur

  • Wilhelm von Bippen: Johann Smidt, ein hanseatischer Staatsmann, Stuttgart und Berlin: DVA, 1921.
  • Zur Säkularfeier seines Geburtstags wurden seine Präsidialreden (Patriotische Mahnungen und Rückblicke. Bremen 1873, hrsg. von Heinrich Smidt) und seine Biographie (Bremen 1873) veröffentlicht.
  • Einen Einblick in das Privatleben Smidts aus seinen Briefen bietet B. Schulze-Smidt: Bürgermeister Johann Smidt, das Lebensbild eines Hanseaten. Bremen: Verlag Franz Leuwer 1914.
  • Monika M. Schulte, Nicola Wurthmann (Bearb.): Nachlass Johann Smidt (1773–1857), Bürgermeister der Freien Hansestadt Bremen (Staatsarchiv Bremen, Bestand 7,20). Bremen 2004 (= Kleine Schriften des Staatsarchivs Bremen, Heft 34)
  • Eine detaillierte Darstellung von Smidts Wirken während der Revolutionszeit finden wir bei Werner Biebusch: Revolution und Staatsstreich. Verfassungskämpfe in Bremen von 1848 bis 1854. Schünemann, Bremen 1973 (Veröffentlichungen aus dem Staatsarchiv der Freien Hansestadt Bremen. 40.)
  • Herbert Schwarzwälder: Das Große Bremen-Lexikon. 2., aktualisierte, überarbeitete und erweiterte Auflage. Edition Temmen, Bremen 2003, ISBN 3-86108-693-X.
  • Aufsätze (Auszug) in: Bremisches Jahrbuch. Staatsarchiv Bremen, Band 87, Bremen 2008, ISSN 0341-9622.
    • Andreas Schulz: Johann Smidt, Bremen und der Deutsche Bund (1848–1866).
    • Nicola Wurthmann: Johann Smidt und die Bremer Politik am Deutschen Bundestag.
    • Frank Hatje: Ferdinand Beneke, Johann Smidt und die Beziehungen zwischen Hamburg und Bremen.
    • Andreas Lennert: Johann Smidt und die Vertreibung der Juden aus Bremen.
  • Wilhelm von Bippen: Smidt, Johann. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 34, Duncker & Humblot, Leipzig 1892, S. 488–494.
  • Frank Eisermann: Johann Smidt und die „Barbareskenstaaten“ (1814–1820). In: Arbeiterbewegung und Sozialgeschichte 19 (2007), S. 5–34.
  • Monika M. Schulte: Smidt, Johann. In: Neue Deutsche Biographie. (NDB). Band 24. Duncker & Humblot, Berlin 2010, ISBN 978-3-428-11205-0, S. 511–512 (deutsche-biographie.de).

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