Ein Review ist eine wissenschaftliche Arbeit, in welcher für ein definiertes Themengebiet die wissenschaftlichen Publikationen der vergangenen Jahre aufgearbeitet, zusammengefasst und kritisch bewertet wird. Grundlage jedes Reviews ist die bereits publizierte Fachliteratur, die mittels Datenbanken und Bibliotheksrecherchen erfasst wird. Ein Review kann unterschiedlich ausfallen; sie reichen von einem unsystematischen, narrativen Vorgehen bis zu einem systematischen, in welcher der Ein- und Ausschluss der Literatur und die Daten-Extraktion aufgrund einer vorher definierten Prozedur erfolgt.
Letztlich beginnt jede auch noch so kleine Forschungsarbeit mit einem kurzen Review, welches im Abschnitt „Einleitung“ der betreffenden Publikation erscheint. Der Wissenschaftler belegt anhand dieses Kurz-Reviews, dass die von ihm bearbeitete Forschungsfrage relevant ist und dass sie eine Wissenslücke füllt.
Reviews können insbesondere bei quantitativen Angaben durch eine Metaanalyse ergänzt werden. Reviews verfolgen verschiedene Absichten, unter anderem:
- Dem Leser soll eine aktuelle Übersicht über ein bestimmtes wissenschaftliches Thema geboten werden. Reviews erscheinen häufiger als Fachbücher zum selben Thema, auch ist der Aufwand zur Erstellung der Übersichtsarbeit wesentlich geringer. Schließlich sind manche Themen derart spezialisiert, dass sich die Herausgabe eines Buches nicht lohnen würde.
- Das Review-Format erlaubt es, auch kleinere, wenig beachtete und wenig aussagekräftige Studien in einen Kontext zu setzen. Dies ist etwa in der Medizin gebräuchlich, wo zu seltenen Erkrankungen und Komplikationen oft nur einzelne Fallberichte existieren, die dann alle paar Jahre im Licht neuerer Erkenntnisse zusammengefasst und kritisch gewürdigt werden. Auch in der Archäologie steht man bei seltenen Funden vor demselben Problem.
- Des Weiteren dienen Review-Artikel auch dazu, Wissenslücken oder Mängel in den bisherigen Datenbeständen zu beschreiben. Im selben Atemzug werden auch neue Forschungsansätze und -Richtungen vorgeschlagen.
Systematische Übersichtsarbeiten weisen die höchste Beweiskraft aller wissenschaftlichen Arbeiten auf (siehe Evidenzgrad), da die Verfasser zu den ursprünglichen Artikeln keinen persönlichen Bezug haben (Interessenkonflikt). Außerdem liegt der Zweck eines Reviews gerade darin, ältere Facharbeiten kritisch zu würdigen.
Typen von Reviews
- Systematische Reviews verwenden eine eng definierte Forschungsfrage, zum Beispiel „Senkt die Einnahme von Acetylsalicylsäure das Herzinfarktrisiko?“. Kennzeichnend ist, dass dabei ein vorher festgelegtes Protokoll bezüglich der Beschaffung der Daten eingehalten wird. Berücksichtigt werden lediglich Arbeiten, die quantitative Daten über die Forschungsfrage anbieten, in diesem Beispiel die Dosierung des Arzneimittels und die Häufigkeit der Herzinfarkte. Ausgeschlossen werden dabei Arbeiten, welche keine relevanten quantitativen Angaben enthalten, und Qualitätsmerkmale nicht erfüllen, wie zum Beispiel der Einsatz einer Blindstudie. Eine statistische Metaanalyse ist oft Teil der systematischen Übersichtsarbeit. Die Metaanalyse wiederholt den klinischen Versuch sozusagen mit der Gesamtzahl aller Patienten, die in allen berücksichtigten Studien teilgenommen hatten. Es wird jeweils auch das Ausmaß des bias ermittelt: Sind Forschungsarbeiten, die ein bestimmtes Resultat hatten, in der Literaturrecherche untervertreten?
- Overviews werten systematische Reviews aus und setzen breite Fragestellungen ein. Beispiel: Welche Ansätze zur Vorbeugung von Herzinfarkten existieren, und wie ist ihr Kosten-Nutzen-Verhältnis bei unterschiedlichen Patientengruppen? Dabei wird nach einem Protokoll vorgegangen.
- Scoping Reviews sind den systematischen Reviews ähnlich, insofern ein Protokoll zum Ein- und Ausschluss der Publikationen eingehalten wird. Dieses Review sammelt, katalogisiert und beschreibt den aktuellen Wissensstand zu einem Thema. Die Art und Herkunft der zugrundeliegenden Studien ist vielfältig. Welche Definitionen, Faktoren und Mechanismen sind im betreffenden Forschungsgebiet relevant?
- Mapping Reviews sind den vorhergehenden scoping reviews ähnlich, aber werden nicht zwingendermaßen nach einem festgelegten Protokoll durchgeführt. Der hauptsächliche Zweck besteht darin, Prioritäten für künftige Forschungsarbeiten aufzustellen.
- Evidence and Gap Maps (EGMs) versuchen, auf systematische Weise die aktuellen Forschungslücken aufzuzeigen. Dabei wird im medizinischen Bereich oft an das PICO-Schema angeknüpft: Bei welchen Patienten wurden welche Interventionen noch nicht erforscht? Dabei werden die Ergebnisse visuell dargestellt.
Erstellung eines Reviews
Durch den technischen Fortschritt wurde es deutlich erleichtert, Übersichtsarbeiten zu erstellen. Dies liegt vor allem an den Datenbanken, in welchen veröffentlichte wissenschaftliche Arbeiten registriert und über Suchbegriffe aufzufinden sind. Früher mussten von Hand verschiedene Kataloge durchgesehen werden, wie Bibliothekskataloge, Bibliografien, Mikrofilme und die gedruckte jährliche Auflistung aller Artikel, die in der jeweiligen Zeitschrift erschienen sind.
Für Übersichtsarbeiten wesentlich sind eine klare Definition der Thematik und die Erstellung von Relevanzkriterien für die Fachartikel. Daraus folgt eine Auswahl der zu benutzenden Datenbanken und Kataloge (Web of Science, Embase, Google Scholar, Scopus, PubMed, …) und gegebenenfalls eine nachvollziehbare Beschränkung auf bestimmte Zeiträume (z. B. „Literatur der letzten 20 Jahre“). Es ist zu klären, inwiefern sogenannte graue Literatur (Diplomarbeiten, sonstige unveröffentlichte Arbeiten auf Hochschulniveau) einzubeziehen ist.
Die Suchergebnisse müssen gefiltert werden, da nicht alle Studien für das gewählte Thema relevant sind. Üblich ist ein mehrstufiges Verfahren:
- Durchlesen der Titel aller Artikel
- falls die Arbeit im ersten Schritt nicht sicher ausgeschlossen werden kann: Abstract durchlesen
- falls in Schritt 2 als relevant empfunden: ganze Arbeit durchlesen
- Extraktion der relevanten Angaben und Daten
Ist eine Arbeit schließlich als relevant bewertet worden, kann ihr Literaturverzeichnis nach weiterer einschlägiger Literatur durchsucht werden (sogenannte Schneeball-Technik). Je nach Fragestellung kann die als relevant identifizierte Literatur schließlich nach qualitativen Maßstäben gewichtet werden, um methodisch mangelhafte Studien auszuschließen. Im Gesundheitsbereich geschieht dies etwa nach den Richtlinien der GRADE Working Group.
Außerdem muss der Publikationsbias ermittelt werden, da nicht alle Forschungsarbeiten veröffentlicht werden, während aber die Übersichtsarbeit ein vollständiges Bild aller Forschungsarbeiten vermitteln soll. Ebenso sollte das Ein- und Ausschließen der Arbeiten und die Datenextraktion von mehreren Mitarbeitern doppelt und unabhängig voneinander erfolgen, um zu verhindern, dass relevante Arbeiten fälschlicherweise ausgeschlossen werden, oder Daten falsch ausgelesen werden.
Übersichtsarbeiten nach Wissenschaftsgebieten (Auswahl)
Hervorzuheben ist hier Annual Reviews, ein Verlag, welcher für mehr als 40 Wissenschaftsgebiete Übersichtsarbeiten veröffentlicht.
Chemie
Beispiele für Zeitschriften, die Zusammenfassungen über größere Arbeitsgebiete veröffentlichen, sind Accounts of Chemical Research, Angewandte Chemie, Chemical Reviews, Chemical Society Reviews, Synlett, Synthesis, Tetrahedron und Uspechi Chimii / Russian Chemical Reviews. In einigen dieser Zeitschriften erscheinen parallel auch Originalarbeiten.
Medizin
In der evidenzbasierten Medizin werden systematischen Übersichtsarbeiten randomisierter kontrollierter Studien (RCTs) die höchste Beweiskraft für den Nachweis einer therapeutischen Wirksamkeit zugeschrieben. Der größte Herausgeber systematischer Übersichtsarbeiten in der Medizin ist Cochrane.
Physik
In der Physik gibt es eine Vielzahl von Zeitschriften zur Veröffentlichung von Übersichtsarbeiten. Reviews of Modern Physics ist dabei eine der ältesten und angesehensten Zeitschriften.
Wirtschafts- und Sozialwissenschaften
Systematische Literaturanalysen haben erst spät eine weite Verbreitung in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften gefunden und stellen inzwischen eine etablierte Methode dar. Durach et al. haben methodische Schritte vorgestellt, die in diesen Wissenschaften hilfreich bei der Durchführung einer systematischen Literaturanalyse sein können.
Wikipedia-Artikel als Reviews?
Studien zum Wissenstransfer in der Chemie wiesen nach, dass Änderungen in einschlägigen Artikeln der Wikipedia Aktualisierungen in zahlreichen wissenschaftlichen Zeitschriften nach sich ziehen und vielfach von fachkundigen Autoren als eine Art Sammlung relevanter Literatur verwendet werden. Damit nähmen manche Wikipedia-Artikel eine quasi äquivalente Rolle zu akademischen Reviews ein.
Literatur
- Trisha Greenhalgh: How to read a paper: Papers that summarise other papers (systematic reviews and meta-analyses). In: BMJ. Band 315, 1997, S. 672–675, doi:10.1136/bmj.315.7109.672 (englisch).
- Deborah J. Cook, Cynthia D. Mulrow, R. Brian Haynes: Systematic Reviews: Synthesis of Best Evidence for Clinical Decisions. In: Annals of Internal Medicine. Band 126, Nr. 5, 1. März 1997, S. 376–380, doi:10.7326/0003-4819-126-5-199703010-00006 (englisch).
- Nicola Döring, Jürgen Bortz: Forschungsmethoden und Evaluation in den Sozial- und Humanwissenschaften. Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg 2016, ISBN 978-3-642-41089-5, doi:10.1007/978-3-642-41089-5.
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