Umkehrregel

Die Umkehrregel ist eine Formel, welche einen Zusammenhang herstellt zwischen der Ableitung der Umkehrfunktion einer reellen Funktion und der Ableitung von . Genauer besagt sie: Ist eine umkehrbare Funktion auf einem Intervall an der Stelle differenzierbar und ist ihre Umkehrfunktion an der Stelle differenzierbar, so ist und es gilt

.

Mithilfe der Umkehrregel lässt sich somit unter gewissen Voraussetzungen die Ableitung der Umkehrfunktion mithilfe der Ableitung von berechnen. Dies ist dann sinnvoll, wenn die Ableitung von schon bekannt ist oder sich leichter bestimmen lässt als die Ableitung von .

Der Satz über die Umkehrfunktion stellt neben dieser Formel Forderungen an , welche die Existenz von sichern. Häufig wird dabei vorausgesetzt, dass stetig und streng monoton auf einem Intervall ist und an der Stelle eine Ableitung besitzt mit . Er lässt sich auf komplexe Funktionen und mehrdimensionale Funktionen verallgemeinern.

Beispiele

Ableitung des Logarithmus

Die Umkehrfunktion der Exponentialfunktion ist der natürliche Logarithmus . Wegen gilt nach der Umkehrregel

.

Ableitung der n-ten Wurzel

Die Funktion ist die Umkehrfunktion der Potenzfunktion . Es ist für . Mit der Umkehrregel erhält man für alle die Ableitung von als

.

Ersetzt man noch , so erhält man die Ableitung ausgedrückt bzgl. :

.

Im Punkt ist die Funktion nicht differenzierbar, da der Ausdruck gegen unendlich strebt, wenn von links gegen null strebt. Geometrisch hat die Funktion im Nullpunkt eine vertikale Tangente.

Ableitung des Arkussinus

Der Arkussinus ist die Umkehrfunktion von . Arkussinus ist differenzierbar für . Mit erhält man nach der Umkehrregel

.

Der Nenner lässt sich noch vereinfachen: Aus dem trigonometrischen Pythagoras folgt

Wegen erhält man damit

.

Auf analoge Weise leitet man die Ableitungen von Arkuskosinus und Arkustangens aus den Ableitungen von Kosinus bzw. Tangens her.

Herleitungen

Durch Achsenspiegelung

Diese Herleitung basiert auf der Eigenschaft, dass der Graph der Umkehrfunktion aus dem Graphen von durch Spiegelung an der Winkelhalbierenden des 1. und 3. Quadranten hervorgeht. Es wird ein Punkt auf dem Graphen von mit einem zugehörigen Steigungsdreieck betrachtet. Bezeichnet man dessen Katheten mit und , so ist . Durch Spiegelung dieser Konfiguration an der Winkelhalbierenden erhält man den Punkt auf dem Graphen von mit einem zugehörigen Steigungsdreieck. Aus dem -Zuwachs wird der -Zuwachs und umgekehrt, d. h. . Die Steigung des Graphen von im Punkt ist also gleich dem Kehrwert der Steigung des Graphen von im Punkt , d. h.

.

Durch Vertauschen der Koordinatenachsen

Zur geometrischen Herleitung der Umkehrregel ist eine Spiegelung des Graphen gar nicht nötig, da die Bildung der Umkehrfunktion einfach einer Vertauschung der Variablen und und damit der Koordinatenachsen entspricht. Der Graph von ist somit zugleich der Graph von , je nachdem ob man oder als unabhängige Variable auffasst. Für die Tangente an einer Kurve hat es jedoch keine Bedeutung, ob oder die unabhängige Variable ist. Es muss also die Bildung der Ableitung der Umkehrfunktion auf die gleiche Gerade als Tangente führen. Wird als unabhängige Variable gesehen, so hat diese Geraden die Steigung , und ist gleich ; wird als unabhängige Variable gesehen, so hat sie die Steigung , welche zugleich ist. Also ist

.

Mithilfe von Differentialen

Die Umkehrregel lässt sich durch das formale Rechnen mit Differentialen herleiten: Ist eine Funktion mit Ableitung (Leibniz-Notation) und ihre Umkehrabbildung mit der Ableitung , so erhält man die Umkehrregel durch „Kehrwertbildung“:

.

Mithilfe der Kettenregel

Aus der Identität folgt durch Ableiten auf beiden Seiten

.

Mittels Division durch erhält man hieraus die Umkehrregel.

Damit man die linke Seite der Identität mit der Kettenregel ableiten darf, muss differenzierbar an der Stelle mit sein und differenzierbar an der Stelle sein.

Satz über die Umkehrfunktion

Beim Satz über die Umkehrfunktion (auch Satz über die Ableitung der Umkehrfunktion) wird die Umkehrregel zusammen mit einer Reihe von Bedingungen an die Funktion formuliert, welche zusammen die Existenz der Ableitung der Umkehrfunktion sicherstellen. Statt im folgenden Satz strenge Monotonie vorauszusetzen, ist es auf Intervallen äquivalent, die Injektivität von zu verlangen. Wird zusätzlich die Differenzierbarkeit auf dem gesamten Intervall gefordert (eine stärkere Bedingung), so kann auf die Annahme der Stetigkeit verzichtet werden. Wird zusätzlich die Differenzierbarkeit auf dem gesamten Intervall gefordert (eine stärkere Bedingung), so kann auf die Annahme der Stetigkeit verzichtet werden.

Satz über die Umkehrfunktion auf einem Intervall

Sei ein nicht-triviales Intervall, eine stetige, streng monotone Funktion und ihre Umkehrfunktion. Ist in differenzierbar und , dann ist an der Stelle differenzierbar und es gilt

.

Beweis

Eine Möglichkeit, die Aussage zu zeigen, ist über den Differenzenquotienten von Folgen.

Sei eine beliebige Folge mit und sei . Aus den Voraussetzungen kann man folgern, dass bijektiv und stetig ist, daher gilt und für alle . Es gilt

.

Verallgemeinerungen

Satz über die Umkehrfunktion für komplexe Zahlen

Sei offen, holomorph in , und . Dann existiert eine offene Umgebung von und von , sodass bijektiv und holomorph in ist mit

, für alle .

Satz über die Umkehrfunktion für -Funktionen

Fordert man die Stetigkeit der ersten Ableitung von , so genügt bereits die Voraussetzung , da daraus direkt auf einem kleinen Bereich um und daraus wiederum die Existenz der Umkehrfunktion von auf diesem kleinen Bereich folgt. Von dieser Grundidee geht man bei der mehrdimensionalen Verallgemeinerung der Umkehrregel, dem Satz von der Umkehrabbildung, aus:

Sei offen, eine stetig differenzierbare Funktion, sodass die Jacobi-Matrix invertierbar ist. Dann ist ein lokaler Homöomorphismus; d. h. es gibt für jedes eine offene Umgebung und eine offene Umgebung von , sodass ein Homöomorphismus von nach ist. Es gilt:

.

Der Beweis ist ein Korollar des Satzes von der impliziten Funktion.

Globale Version

Der Satz von der Umkehrabbildung ist ein lokales Ergebnis, d. h. er gilt für jeden Punkt. A priori zeigt der Satz also nur, dass die Funktion lokal bijektiv ist. Mit dem folgenden Lemma aus der Topologie kann die lokale Injektivität auf eine globale Injektivität erweitert werden.

Wenn eine abgeschlossene Teilmenge einer (zweitabzählbaren) topologischen Mannigfaltigkeit (oder allgemeiner ein topologischer Raum, der eine kompakte Ausschöpfung zulässt), ein topologischer Raum, ein auf injektiver lokaler Homöomorphismus ist, dann ist injektiv auf einer Umgebung von .

Das Lemma impliziert die folgende (in gewisser Weise) globale Version des Satzes über die Umkehrfunktion:

Sei eine Abbildung zwischen offenen Teilmengen von oder allgemeiner von Mannigfaltigkeiten. Angenommen, ist stetig differenzierbar (d. h. ). Wenn auf einer abgeschlossenen Teilmenge injektiv ist und die Jacobi-Matrix von in jedem Punkt von invertierbar ist, dann ist auf einer Umgebung von injektiv und ist stetig differenzierbar.

Wenn ein Punkt ist, dann entspricht dieser Satz dem üblichen Satz von der Umkehrabbildung.

Siehe auch

Literatur

  • Steffen Goebbels, Stefan Ritter: Mathematik verstehen und anwenden: Differenzial- und Integralrechnung, Lineare Algebra. 4. Auflage. Springer Spektrum, 2023, ISBN 978-3-662-68366-8, S. 344–347.
  • Otto Forster, Florian Lindemann: Analysis 1. 13. Auflage. Springer, Wiesbaden 2023, ISBN 978-3-658-40129-0, S. 237–239.
  • Konrad Königsberger: Analysis 1. 6. Auflage. Springer, Berlin u. a. 2004, ISBN 3-540-40371-X, S. 143.
  • Richard Courant: Vorlesungen über Differential- und Integralrechnung 1. Springer, Berlin / Heidelberg / New York 1971, 3-540-05466-9, S. 128–134.
  • Karl Strubecker: Einführung in die Höhere Mathematik. Band II: Differentialrechnung einer reellen Veränderlichen. Oldenbourg, München / Wien 1967, S. 153–156.
  • Georg Prange, Werner von Koppenfels: Vorlesungen über Integral- und Differentialrechnung. Erster Band: Funktionen einer reellen Veränderlichen. Springer, Berlin / Heidelberg 1943, ISBN 978-3-540-01337-2, S. 210–211 und S. 266–267.
  • Greefrath et al: Didaktik der Analysis. Springer Spektrum, Berlin / Heidelberg 2016, ISBN 978-3-662-48876-8, S. 177–179.
  • Andreas Büchter, Hans-Wolfgang Henn: Elementare Analysis. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2010, ISBN 978-3-8274-2091-6, S. 304–305.
  • Tilo Arens et al.: Mathematik. 5. Auflage. Springer Spektrum, Berlin 2023, ISBN 978-3-662-64388-4, S. 329–330.
  • Edmund Weitz: Konkrete Mathematik (nicht nur) für Informatiker. 2. Auflage. Springer Spektrum, Berlin 2021, ISBN 978-3-662-62617-7, S. 573–574.

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