Varnhagen

Varnhagen ist der Name eines deutschen Gelehrten- sowie preußischen und brasilianischen Adelsgeschlechts. Über mehrere Jahrhunderte wirkte die Familie als lutherische „Pfarrerdynastie“ in Iserlohn und ging aus den ritterbürtigen von Ense genannt Varnhagen hervor. Im 19. Jahrhundert spielte sie mit Rahel Varnhagen von Ense, Karl August Varnhagen von Ense und dem Visconde de Porto Seguro eine bedeutende Rolle in der europäischen und südamerikanischen Geistes- und Kulturgeschichte.

Wappen

Das bürgerliche Stammwappen der Varnhagen (dem der von Ense gen. Varnhagen) zeigt in Gold eine schwarze Pferdebremse mit rotem Riemen; der offene goldene Flug auf dem Helm mit schwarz-goldenen Decken ist jeweils mit der Pferdebremse gezeichnet. Die Korbacher Linie führte des Weiteren ein silbernes Kreuz zwischen dem Flug.

Wappen Varnhagen von Ense (1826): In Gold eine gestürzte, innen gezahnte schwarze Pferdebremse mit rotem Riemen, der drei Schlingen bildet (eine nach rechts, eine nach links, eine nach unten). Auf dem gekrönten Helm mit schwarz-goldenen Decken ein offener goldener Flug, dessen jeder Flügel mit der Bremse belegt ist; dazwischen ein sechsstrahliger goldener Stern.

Personen

  • Conrad von Ense genannt Varnhagen, obwohl katholischer Geistlicher, Begründer der Varnhagen-Familie, Kanonikus in Köln (St. Marien) und Soest, Pfarrer zu Iserlohn, hatte, gemeinsam mit einer Frau aus der in Iserlohn ebenfalls sehr bedeutenden Familie Loebbecke, einen illegitimen Sohn, für den er eine Stiftung errichtete, um ihm zu seinem väterlichen Erbe zu verhelfen.
  • Johann Varnhagen (1502–1583), (illegitimer Sohn von Conrad von Ense gen. Varnhagen), Reformator von Iserlohn, erster ev.-luth. Pastor ebenda, Begründer der so genannten Varnhagenschen Blutspfarre in Iserlohn, d. h. einer Pfarrstelle, die bis ins 19. Jahrhundert von einem Sohn der Familie besetzt wurde, der die Eignung zum Priesteramt hatte. Er ist der Stammvater der Varnhagenschen Gesamtfamilie, die sich in Folge sehr stark verzweigte, v. a. in Westfalen (Iserlohn, Dortmund und Brilon), aber auch über Altena nach Korbach kam und sich weiter bis nach Übersee ausbreitete. Die Varnhagensche Stammmutter und erste Gemahlin des Johann Varnhagen war vermutlich eine Schwester des Gotthard von Ketteler, Herzogs von Kurland, namens Anna, die aber nur bei Fahne (1848) genannt wird und v. a. in jüngeren genealogischen Werken nicht erscheint. Möglicherweise war sie auch eine uneheliche Tochter von Ketteler, aber genaue Angaben fehlen.
  • Johann Bernhard Varnhagen (1603–1647), „in Schweden populär“, wie es in einer alten Varnhagenschen Genealogie heißt; denn er war Leibmedicus der schwedischen Königinwitwe Maria Eleonora von Brandenburg.
  • Adolph Varnhagen (1753–1829), Pastor an der St.-Kilians-Kirche in Korbach und Begründer der waldeckischen Geschichtsschreibung. Als Johann Adolph Theodor Ludwig Varnhagen veröffentlichte er unter anderem das mehrbändige Werk „Grundlage der Waldeckischen Landes- und Regentengeschichte“ (1853).
  • Johann Andreas Jacob Varnhagen (1756–1799), kurpfälzischer Medizinalrat und Gründer einer Initiative für ein Armenkrankenhauses in Düsseldorf, Anhänger der Französischen Revolution, Vater von Karl August Varnhagen von Ense.
  • Franz Anton Joseph Varnhagen (1761–1815), Bruder des Johann Andreas Varnhagen, Professor der schönen Wissenschaften und auswärtigen Sprachen, Sprachmeister an der Universität zu Köln.
  • Christian Varnhagen (1775–1843), deutscher Verwaltungsjurist und Regierungschef in Waldeck-Pyrmont
  • Rahel Varnhagen von Ense (1771–1833), geb. Rahel Levin, Ehefrau von Karl August Varnhagen von Ense, briefschreibende Philosophin, führte um 1800 und nach 1820 einen bedeutenden literarischen Salon in Berlin.
  • Arnold Friedrich Christoph Varnhagen (1779–1827), Fürstlich waldeckischer wirklicher Justizrat, Archivsekretär und Regierungsadvokat in Arolsen, Heimat- und Familienforscher. Herausgeber rechtswissenschaftlicher Schriften.
  • Rosa Maria Varnhagen von Ense (1783–1840), verh. Assing, Erzieherin, Autorin und Scherenschnittkünstlerin, führte einen literarischen Salon in Hamburg.
  • Friedrich Ludwig Wilhelm (von) Varnhagen (1784–1842), deutsch-portugiesischer Militäringenieur und Generalforstmeister; Entdeckungsreisender in Brasilien.
  • Karl August Varnhagen von Ense (1785–1858), deutscher Chronist der Romantik und des 19. Jahrhunderts. Viele Familiennachrichten finden sich in der von ihm angelegten Sammlung Varnhagen.
  • Francisco Adolfo de Varnhagen, 1. Visconde de Porto Seguro (1816–1878), Begründer der brasilianischen Geschichtsschreibung und Diplomat.
  • Robert Varnhagen (1818–1903), deutscher Jurist und Politiker, Herausgeber des Waldeckschen Volksboten.
  • Hermann Varnhagen (1850–1924), Professor für englische und romanische Philologie in Erlangen.
  • Xavier de Porto-Seguro (1865–1894), eigentlich: Francisco Javier de Varnhagen, 2. Visconde de Porto Seguro Ovalle, dessen autobiografischen Jugenderinnerungen als brasilianisches Diplomatenkind in Wien, Paris und London im Jahre 1896 von Hippolyte Buffenoir posthum herausgegeben wurden.
  • Luis V. de Porto-Seguro Ovalle (1866–1939), eigentlich: Luis de Varnhagen, 3. Visconde de Porto Seguro Ovalle, chilenischer Politiker und 1925–1939 Botschafter in Berlin.
  • Oskar Varnhagen (1873–1956), deutscher Rechtsanwalt und Politiker.

Töchternachkommen

Da die Genealogie der Varnhagenschen Gesamtfamilie bis in das 16. Jahrhundert zurückreicht, ist auch die Töchternachkommenschaft entsprechend ausgebreitet. In diesem Zusammenhang soll auf die Verflechtung der Varnhagen in weiblicher Linie hingewiesen werden.

Johann Adolph Varnhagen (* 1645) war Bürgermeister und promovierter Arzt in Altena. Seine Tochter Anna Maria Varnhagen war mit Eberhard Schmidt aus Altena verheiratet, dessen Mutter vermutlich auch eine geborene Varnhagen aus Iserlohn war. Der gemeinsame Sohn war Johann Adolf Schmidt, der nach dem frühen Tod seines Vaters zu seinem Onkel, dem Apotheker Johann Moritz Varnhagen (* 1687), geschickt wurde, um die „Apothekerkunst“ zu erlernen. Im Varnhagenschen Haushalt scheint es aber danach zu Spannungen gekommen zu sein, da die Tante in dem jungen Schmidt eine Konkurrenz für ihre eigenen Kinder sah. Schmidt begründete in Korbach die Hirsch-Apotheke, die sich bis ins 20. Jahrhundert im Familienbesitz befand. Schmidt war zweimal verheiratet, in erster Ehe mit Friederike Freiin Forstmeister von und zu Gelnhausen. Eine Enkeltochter aus dieser ersten Ehe war die Pädagogin und Schriftstellerin Wilhelmine Halberstadt. Aus der zweiten Ehe des Johann Adolf Schmidt stammte eine Tochter, die ihrerseits gleichsam die Stammmutter der Waldecker Varnhagen ist, da zwei ihre Töchter Varnhagen-Vetter heirateten. Zu ihren Nachkommen gehören u. a. der Visconde de Porto Seguro, Hermann Varnhagen, Rektor der Universität Erlangen, und Hermann Kümmell, Mitbegründer der Hamburger Universität, Erster Dekan der medizinischen Fakultät und Rektor ebenda.

Siehe auch

  • Liste deutscher Adelsgeschlechter
  • Varnhagensche Bibliothek
  • Varnhagen Gesellschaft
  • Sammlung Varnhagen

Literatur

  • Emil Böhmer: Leichenpredigten im Stadtarchiv Schwelm. In: Beiträge zur westfälischen Familienforschung. Bd. 21 (1963), S. 116–126 (Digitalisat PDF).
  • Hippolyte Buffenoir (Hrsg.): Mémoires de Xavier de Porto-Seguro. Hachette Livre, Paris 2013, ISBN 978-93-3365538-5.
  • Johann Samuel Ersch; Christian Gottfried Schütz: Allgemeine Literatur-Zeitung auf das Jahr 1823, 39. Jg., Bd. 1, Januar–April, Zeitungs-Expedition, Halle 1823.
  • Johann Samuel Ersch: Das gelehrte Teutschland oder Lexicon der jetzt lebenden teutschen Schriftsteller; angefangen von Georg Christoph Hamberger, fortgesetzt von Johann Georg Meusel, bearbeitet von Johann Wilhelm Sigismund Lindner, Lemgo 1827 (Digitalisat: Bayerische Staatsbibliothek).
  • Anton Fahne: Geschichte der Kölnischen, Jülichschen und Bergischen Geschlechter. 2. Teil, Köln et al.: J. M. Heberle 1853, S. 169–170 (Digitalisat: ULB Düsseldorf).
  • Eckhart G. Franz: Hessische Entdecker. Forschungsreisen in fünf Erdteilen. Ausstellung der Hessischen Staatsarchive zum Hessentag, Darmstadt 1981.
  • Nikolaus Gatter: Varnhagen. In: Neue Deutsche Biographie. (NDB). Band 26. Duncker & Humblot, Berlin 2016, ISBN 978-3-428-11207-4, S. 715–720 (deutsche-biographie.de).
  • Genealogisches Handbuch des Adels, Adelslexikon XV, Band 134, Limburg an der Lahn: C. A. Starke 2004, ISBN 3-7980-0834-5, S. 193–194 (Digitalisat: Google Books).
  • Otto Titan von Hefner: Stammbuch des blühenden und abgestorbenen Adels in Deutschland. Bd. 4, Regensburg: G. J. Manz 1866, S. 118 (Digitalisat: Bayerische Staatsbibliothek).
  • Heinrich Heppe (Hrsg.): Geschichte der evangelischen Gemeinden der Grafschaft Mark und der benachbarten Gemeinden von Dortmund, Soest, Lippstadt, Essen etc. (= Zur Geschichte der evangelischen Kirche Rheinlands und Westphalens. Bd. 2), Iserlohn: J. Bädeker 1870, S. 1–10 (Digitalisat: Bayerische Staatsbibliothek).
  • Arno Herzig: Die Geschichte der Varnhagen-Vikarie im Rahmen der Sozialgeschichte Iserlohns. In: Fritz Kühn zum Gedächtnis. Beiträge zur Geschichte Iserlohns (= Schriftenreihe Haus der Heimat. Bd. 12), Iserlohn 1968, S. 9–39 (Digitalisat: Google Books).
  • Wilhelm Honselmann: Johann Varnhagen, Pastor zu Iserlohn (1505–1582). In: Der Märker. 11 (1962), S. 295–301 (Digitalisat).
  • Friedrich von Klocke: Karl August Varnhagen von Ense als Adelsusurpator. In: Westfälisches Adelsblatt. 5 (1928), S. 242–248.
  • Ernst Heinrich Kneschke: Die Wappen der deutschen freiherrlichen und adeligen Familien in genauer, vollständiger und allgemein verständlicher Beschreibung. Bd. 3, Leipzig: Weigel 1856, S. 432–433 (Digitalisat: Google Books).
  • Ernst Heinrich Kneschke: Neues allgemeines deutsches Adels-Lexicon. Bd. 9, Leipzig: F. Voigt 1870, S. 361 (Digitalisat: Bayerische Staatsbibliothek).
  • Leopold von Ledebur: Adelslexicon der Preußischen Monarchie. Bd. 3, Berlin: Rauh 1857, S. 51 (Digitalisat: ULB Düsseldorf).
  • Ferdinand Levin von Lindemann: Arnold Friedrich Christoph Varnhagen. In: Neuer Nekrolog der Deutschen. 5. Jg. (1827), 2. Theil, Ilmenau: Voigt 1829, S. 690–693 (Digitalisat: Google Books).
  • Wolfgang Medding: Korbach. Die Geschichte einer deutschen Stadt, 2. unveränderte Auflage, Korbach: Wilhelm Bing 1980.
  • Carl Misch: Varnhagen von Ense, Gotha: F. A. Perthes 1925.
  • Carl Misch: Varnhagen von Ense und sein Adelsprädikat. In: Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte; Neue Folge der Märkischen Forschungen des Vereins für Geschichte der Mark Brandenburg, Jg. 38, Bd. 1 (1926), ISSN 0934-1234, S. 101–116 (Digitalisat: Internet Archive).
  • Helmut Nicolai: Waldeckische Wappen. In: Beiträge zur Familiengeschichte. Teil 2: Bürgerwappen (= Waldeckische Forschungen. Bd. 3), bearbeitet von Wilhelm Hellwig und Ingeborg Moldenhauer. Waldeckischer Geschichtsverein, Arolsen 1985; Druck: Wilhelm Bing, Korbach, ISBN 3-87077-053-8, Nr. 470 (Art. Varnhagen).
  • Johann Stephan Pütter: Mütterliche Abstammung aus einer erblichen Pfarrers-Familie. In: ders.: Selbstbiographie zur dankbaren Jubelfeier seiner fünfzigjährigen Professorstelle zu Göttingen. Bd. 1, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1798, S. 12–13 (Digitalisat: Bayerische Staatsbibliothek).
  • Wilfried Reininghaus: Die Stadt Iserlohn und ihre Kaufleute 1700–1815 (= Untersuchungen zur Wirtschafts-, Sozial- und Technikgeschichte. Bd. 13), Dortmund 1995, ISBN 3-925227-37-7 (Digitalisat: Google Books).
  • Ludwig Graf von Rittberg: Beitrag zur Vervollständigung der Stammtafel der Familie Varnhagen. In: Archiv für Sippenforschung, 35. Jg., 1969, H. 34, ISSN 0003-9403, S. 139–140.
  • Wilhelm Schulte (Hrsg.): Iserlohn – Die Geschichte einer Stadt. Bd. 1, Iserlohn:R. Wichelhoven 1937 (Digitalisat: ULB Münster).
  • J. Siebmacher’s großes und allgemeines Wappenbuch: Die Wappen des preußischen Adels, Teil 1 (= Bd. 14), reprografischer Nachdruck von Siebmacher’s Wappenbuch, III. Band, 1.–2. Abteilung (Nürnberg 1859 und 1878) mit Anhang (Supplement), Neustadt an der Aisch: Bauer & Raspe 1973, ISBN 3-87947-014-6, S. 425, 469 (Digitalisat: Google Books).
  • Rodolfo Smith de Vasconcelos; Jaime Smith de Vasconcelos: Arquivo Nobiliárquico Brasileiro. La Concorde, Lausanne 1918, S. 372 (Textarchiv – Internet Archive).
  • Friedrich Sommer: Deutsche Charakterbilder aus der brasilianischen Geschichte. Rothermund, São Leopoldo 1917, Bd. 1, S. 96.
  • Johann Dietrich von Steinen: Von dem kirchlichen Zustand daselbst daselbst. In: Von der Stadt Iserlohn und dem Kirchspiel (=Versuch einer westphälischen Geschichte, besonders der Grafschaft Mark.) Bädeker, Dortmund 1749; neu hrsg. als Westphälische Geschichte mit vielen Kupfern, 1. Teil, Lemgo:Meyer 1755, S. 965–993 (Digitalisat: ULB Münster).
  • Manfred von Stosch: Düsseldorfs „öffentliche Bibliotheque“ 1770–1809. In: Gerhard Kurz (Hrsg.): Düsseldorf in der deutschen Geistesgeschichte. Schwann, Düsseldorf 1984, ISBN 3-590-30244-5, S. 37–54.
  • Karl August Varnhagen von Ense: Herkommen; Erste Jugendjahre. In: Denkwürdigkeiten des eigenen Lebens, 1. Abth., 1. Theil (=Ludmilla Assing [Hrsg.]: Ausgewählte Schriften.) Bd. 1, 3. vermehrte Aufl. F. A. Brockhaus, Leipzig 1871, S. 1–25 (Digitalisat: Google Books).

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